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Sitzungsberichre
der
philosophisch -philologischen uud
historischen Classe
der
k. b. AkadgmijL der Wissenschaften
zu
IV. Band I. Jahrgang 1874.
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Hflnclieii.
Akademische Buohdrnokerei Ton F. Straub.
1874.
Ia CommiiaioB bei O. f rani.
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Uebersicht des Inhaltes.
Die alt * Wscidui^toB T^rtrif • wiuA %kn» Aansf .
-Oeffenüiehe SiUnmg zur Feier des 115. Stiftungstages der
Akademie am 28. März.
-r. Pöllinger 161
T. Prantl: Nekrolog^e 161
^. Oiesebrecht: Nekrologe 179
^effentliche Sü/sung zur 'Vorfeier des Geburts- und Namens^ festes Seiner Majestät des Königs Ludwig IL am 25. Juli.
KettwaUen 523
Phtlosophisch'philologisehe Glosse.
Sitzung Tom 8. Januar. 1i a u r e r : Die Sohuldknechtschaft nach altnordiichem Bechie 1
Sitzung vom 7. Februar.« fjaoth: Die Scbalttage dee Ptolemane Euergetes I und des
Augustae 66
Sitzung Tom 7. März.
Sarai an: Die Antikensammlung Raimund Fuggers nebst
einem Ezcurs über einige andere in der Inschriften- Sammlung von Apianus und Amantius abgebil- dete Antike Bildwerke 133
Oblensehlager: Das römische Militärdiplom yon Regensburg 198 Ufordtmann: Zur vergleichenden Geographie Persiens • . 231 ^Christ: Die Parakataloge in den griechischen und römi- schen Dramen 262
JV
Sit'ong yom 2. Mai.
irrapliie de« alten Athen 263^
Sitinng vom 6. Joni. f>Uth: I>ie /remden Urbarwohen Stämme im alten China . 460*
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Historische Classe,
SitEong vom 8 Januar.
friedrich: Der Jesuit P. Kaller als der wahre Verfasser der
unter dem Namen Herwart 1618 in München erschienenen Schrift: Ludovicus IV Imperator defensus • 48^
*v. Lili eueren: Ueber die Gegenstände der öffentlichen Mein- ung in der 2. Hälfte des 16- Jahrhunderts 6S
Sitzung vom 7. Februar. *Kluckhohn: Beitrage zur Geschichte des bayerischen
Schulwesens ISO'
*Rockinger: Ueber eine Handschrift deutscher Rechtsbriefe
in Munster ISO- Sitzung vom 7. März
Friedrich: Ueber die Zeit der Abfassung des Tit. I. 10 der
Lex Baiuwariornm 852
Sitzung vom 2. Mai.
Würdinger: Friedrich von Lochen, Landeshauptmann in
der Mark Brandenburg 37S
Bockinger: Gelegentliche Bemerkungen zu den Hand- schriften des kleinen Kaiserrechtes, insbeson- dere über eine Rechtsbücherhandschrift in Münster vermeintlich v. J. 1449 417
Sitzungsberichte
der
philosophisch -philologischen und
historischen Classe
der
k. b. Akademie der Wissenschaften
zu ^München.
1874. Heft I.
'/ Mflnchen.
Akademische Bnchdruckeroi von F. Stranb.
1874.
In Commiasion bei 0. Fraat.
AfRi3i185
I
Sitzungsberichte
der
königl bayer. Akademie der Wissenschaften.
Philosophisch -philologifiche Classe.
SitEung yom 3. Januar 1874.
Herr Maurer trägt vor:
„Die Schaldknechtschaft nach altnordischem Rechte".
Was ich über die nordische Schaldknechtschaft gelegentlich gesammelt und gearbeitet hatte eben jetzt nochmals durch- zasehen und abzuschliessen , bestimmte mich der Zuspruch eines werthen Freundes, des Professors Aloys vonBrinz an unserer Universität. Studien über das römische nexum hatten diesem die Frage nahe gelegt, was etwa andere Rechte an änh'chen Erscheinungen enthalten möchten, und meine Mit- theiiongen über die einschlägigen Satzungen der nordgerma- nischen Rechtsbücher schienen ihm hinreichend bedeutsame Vergleichungspunkte zu ergeben, um ihm eine einlässliche Darstellung der altnordischen Schuldknechtschaft wünschens- werth erscheinen zu lassen. Je seltener nun unter unseren Juristen jener freiere wissenschaftliche Blick ist, welcher dazu gehört, um unbehindert durch die bisherigen Schulgewohn- iieiten aus neuen Methoden der Forschung und soeben erst erschlossenen Gebieten derselben Nutzen ziehen zu können, am so weniger glaubte ich mich der Aufforderung unseres [1874, 1. Phü. hist Gl] 1
"j
2 Sitsung der phücs.-phtlol. Claue vom 3. Jamtar 187i.
Pandektisten entziehen za dürfen, und ioh gebe demnacb hier eine ZHS&mmenBteilung der masBgebenden Vorschriften der altnordischen Rechte über den Gegenstand, sammt einer möglichst knappen Erörterung der ihnen zu Grunde liegenden
* Gesichtspankte. Jeder Vei^Ieichung mit dem römischen nexam
habe ich mich absichtlich enthalten, um den nordischen
^ Bechtsstoff durch jede Nebenrücksicht unbehindert in mög-
lichster Reinheit vorzuführen. Aber auch das ältere Bchwe- dische und dänische Recht habe ich von meiner Betrachtung auBschliessen zu sollen geglaubt, weil beide meines Erachtens nur sehr schwache und unsichere Spuren der Schuldknecbt- echaft zeigen, and ich beschränke diese somit auf diejenigen Rechte, in welchen allein das Institut als ein vollkommen geschlossenes auftritt, also auf die altnordischen Rechte im engeren Sinne des Wortes, d. h. die norwegischen Provincial- rechte und das isländische Recht.
I. Die norwegischen Hechte'). Ftir die Person , welche der Schuldknechtachaft unter- liegt, brauchen die norwegischen Rechte je nach der Ver- schiedenheit ihres Geschlechts als technische Bezeichnung die Ausdrücke sknIdarmaSr oder skuldarkona, d. h. Scbuld- mann, Schuldweib; man sagt auch wohl von dem Scliuld- knechte, er sei fastr fyrir aura, d. h. fest fiir eine Geld*
1) Vgl. A. Gjassing, Trieldom i Norge, S. 361—55, in den Annaler for oordiik Oldkyndighed, 1862; B. Keyser, Norgea SUta- og Retsforffttning i Middela Ideren, S. 356—59; Fr. Brandt, Tnel- lenea retsetilling efter Norgesgamle Love, S. 109 — 201, in derHiatoriak Tidaakrift. I; K. von Amira, das altnorwegisclie Vollatreckungs- verrahren, S. 228—29, und 262— (i6. Anf ältere VerfasBer, welche auf die Schul dkoechtectiBft nur ganz gelegentlich bei Besprecbang der Sklaverei einen Blick werfen, ohne sie von dieaer gehörig Kn Bcteideu. wie z.B. Matth. Caloniua, de priaco in patria servorum jnre (1780-93, dann 1819, und in dessen Opera omnia, 1, S. 129— 344, 1629), oder Eetrup, Om Trteldom i Norden (1623), glaube ich nicht veiter eingehen in Bollen.
Mamrer: SchuMneehtsehe^ nach ältnardischem SeMe. 3
summe'); den Gegensatz aber zum Schuldknechte bildet derjenige, welcher skuldlauss, d. h. frei von Schulden ist^). Für die Ergebung in die Schnidknechtschaft gilt der Ausdruck gefask i sknld, d. h. sich in Schuld geben, und für die, unter Umständen erlaubte, Hingabe eines Andern in dieselbe der Ausdruck gefa mann i skuld, d. h. Einen in Schuld geben; umgekehrt sagt man von dem Gläubiger taka i skuld oder taka skuldarmann, d. h. Einen in Schuld nemen oder Einen als Schuldknecht annemen. lieber die rechtliche Gestaltung des Institutes aber giebt haupt- sächlidi ein ihm eigens gewidmeter §. der Gula^ingslög Auf- schlusB^), von welchem ebendarum hier auszugehen ist.
Hinsichtlich der Begründung der Schuldknecht« Schaft bestimmt diese Stelle^), dass solche stets am Ding erfolgen müsse, oder, wenn es sich um die Kinder eines Freigelassenen handle, doch wenigstens in einer beliebigen anderen Versammlung. Dabei musste derjenige, welcher sich in die Schuldknechtschaft begeben wollte, sich stets vorerst seinen eigenen Verwandten anbieten, unter welchen dann wider der Nächstgeborene das Vorzugsrecht hatte, und nur für den Fall, dass kein Verwandter zugreifen wollte, durfte Jener selbst den Mann wählen, dessen Schuldknecht er werden wollte; wenigstens sehe ich keinen Grund ab, der mich be-
2} G(L. §. 71: fa ])a aara, er hann er fastr; — at anrom eigi meiram, en hann var fastr.
3) ebenda, §.61: nü ef hann gefr (frelsi) skattalaust oksknlda; — foeddr npp sidTan sknldlans; §. 66: ganga skuldlanst i braut; §. 71 : en jamndyrr skal hann ]>ä at rette sem hann vsere skuldlaus.
4) ebenda, §«71; das in Norges gamle Love, I, S. 115 — 17 ge- druckte Fragment einer weiteren Hs. bietet keinerlei beachtenswerthe Varianten.
ö) A (ingi skal sknldarmann taka, at bjod'ask frsendnm fyrst; sä er nsestr er nänastr er, ef hann vill hafa, ed'a sä ellar, er hann vill heizt selija. Eugi mä kono svä taka i skuld, nema hafe frsenda rad* vid". Leysings börn mä taka i Qölda hyeijum er Till.
1*
6 Bitnmg da* phSoi.-ghiUl. Olatse vom 3. Januar 1874.
der Scbnldfaaft Tielmehr auf deren einseitige Verbängnng durch den Gläubiger über seinen insoWenten Scbaldaer be- zöge, und Hesse sieb hieför geltend machen, dasB an deren Eingang nur von einem „taka eknldarmaan" die Rede ist. Indessen wird doch in deren weiterem Verlaufe auch von einem „gefa" and „gefaek i eknld" gesprochen, und die so- fort folgenden Worte; „balda skal slikt allt sem mcnn verfta üsättir, ok T&ttar ritn", deuten gleichfalls so deatlidi aU m(}gltch aof die rertragsweise Begründung des Verhältnisses zunick; nur unter dieser Voraussetzung hat es überdiesB einen Sinn, wenn von der Mitwirkung der Verwandten beim Ein- tritte eines Weibes in die Schnldhaft gesprochen wird, da denn doch das Recht des Gläubigers, seinen insolventen Schuldner in Haft zu nemen, an eine solche Mitwirkung nicht gebunden sein konnte, wenn nnd soweit es überhaupt bestand. Weiterbin wäre auch nicht abznsehen, warum dem Ghiiibiger, wie diess jene andere Anslegnng unserer Stelle mit sich bringen würde, das Recht eingeräumt sein sollte, wenn der nächste Verwandte des Schuldners sein Einstands- recht nnbenützt lassen wollte, BeineraeitB unter dessen ent- fernteren Verwandten denjenigen zu wählen, dem er ihn überlassen wollte; überdtess aber wäre uns eine Verbessening des Textes durch das gewählte Auskunftsmittel dennoch nicht erepait, indem solchenfalls für bjöSask ,,bjö$a" gelesen werden iQÜsste, sofeme jene erstere Form doch nur in reSezirem, nicht passivem Sinne verstandeu werden könnte "). Aber wenn hiernach zwar allerdings anzunemen ist, dass unsere Stelle nur von einer Schaldbaft spricht, welche auf einen zwischen Gläubiger und Schuldner abgeschlossenen Vertrag sich gründet, so ist doch damit selbstverständlich noch keineswegs entschieden, oh dieselbe nidit vielleicht unter Umständen auch noch auf ganz anderem W^e entstehen
11) vgl. Gad'brftntlr Vigfügson, Dictionarj, 1, S. XXVI.
UoMsrerx SchnddknechUchcft nach aUnordischem Beehte. 7
konnte, und in der Tbat fehlt es nicht an Sparen, welche aaf solche anderweitige Begründungsarten derselben hinweisen. Gelegentlich der Freilassung bespricht unser Bechtsbuch den Fall, da ein Herr seinem Unfreien die Freiheit schenkt, ohne ihm dabei eine Schuld oder Abgaben aufzuerlegen ^'), and gedenkt dasselbe insbesondere auch noch des Falles, da ein noch nicht dreijähriges Kind freigelassen, und sodann frei von jeder Schuld aufgezogen wird^'). Beides setzt denn doch noüiwendig auch die umgekehrte Möglichkeit voraus, dass der bisherige Herr seinem Manne bei dessen Freilassung eine Schuld auflege, und auf dasselbe Ergebniss führt auch ein weiterer Ausspruch derselben Stelle hinaus, nach welchem der Freilasser, welcher die Freilassung gegen Entgeld vor- genommen, aber dabei mindestens die Hälfte des Lösegeldes creditirt hatte, berechtigt sein sollte den noch ausständigen Betrag unter Anwendung von Schlägen einzutreiben, ohne dadurch ein Gewette an den König zu verwirken ^^); dem Znsammenhange nach wird nämlich diese Bestimmung doch wohl nur dahin verstanden werden können, dass für den Fall, da ein so erheblicher Theil des Kaufpreises unbezahlt bleibe, die Behandlung des Freigelassenen als eines Schuld- knechtes von Rechtswegen zulässig sei, während sie abge- sehen von diesem Falle nur auf Grund eines bei der Frei- lassung gemachten ausdrücklichen Vorbehaltes Platz greifen dürfte. Wir haben demnach hier eine Schuldhaft vor uns,
12) G]>L. §.61: Nn leid'ir mad'r (rssl sinn tilkirkja, ed'aäkista setr, ok gefir firelsi, na ef bann gefr skattalaast ok skalda, ii Hrf 8a eigi at gera frelsisöl sitt.
18) ok 8a annarr, er fyrr er frelsi gefit en bann hafe 8. nsetr binar helga, ok foeddr upp sid'an skuldlaas.
14) Nu reid'ir Irssll ed'a ambott verd'anra sina, )>ä skal ]>an til kirlqjn foera, ok leggja bök a böfad' )>eim, ok gefa frelsi. Nu skal liann I«r vinn^ 12 minad'r fyri skapdrottne sinom. En ef bänom er sya frelsi gefit, at efter stendr balft verd" bans ed'a meira, l^a io at bann soeke Ht med* boggam er efter stendr, Hr a ekki konongr a.
8 SiUmg der phUoe.'phüol. Glosse vom 3, Januar 1874.
welche auf emem einseitigen Vorbehalte bei einer einseitigen Verfiigang, und unter Umständen sogar unmittelbar auf einer Rechtsvorschrift beruhte. Auch den Satz wird man nocli unter denselben Gesichtspunkt stellen dürfen^*), dass die Kinder eines Freigelassenen, welchen ihre Aeltern ihr Erb- recht erkauft haben, für den verarmenden Freilasser zwar bis an seinen Tod arbeiten, aber sodann unbelastet durch irgendwelche Schuld weggehen sollen, wenn sie nicht etwa vorziehen, durch Bezahlung von Alimentationskosten sich von dem Dienste und der damit verbundenen Freiheits- beschränkung loszukaufen. Man wird nämlich doch wohl annemen dürfen, dass der Freilasser berechtigt war, auf solche Kinder von Freigelassenen, denen ihre Aeltern ihr Erbrecht nicht erkauft hatten, im Verarmungsfall eine Schuld zu legen. — Eine andere Bewandtnis dürfte es dagegen mit folgendem Falle haben ^'). Hat ein Freigelassener eine Frei- gelassene geheirathet, und sind beide Theile durch die Ab- haltung ihres Freilassungsbjeres von ihrem früheren Dienst- herm völlig frei geworden, so erwerben die aus ihrer Ehe hervorgehenden Kinder zwar das volle Recht auf den Nach- läse ihrer Aeltern, aber sie haben dafür auch im Verarmungs- falle keinen Anspruch auf Alimentation gegenüber den beiden Freilassem; sie werden solchenfalls grafg&ngsmenn, d. h. sie werden in ein offenes Grab gesetzt, und mögen in diesem verkommen, nur dass der Freilasser verpflichtet ist, das längst
16) G(L. §. 66: Eanpa m4 leysingi arf bomom sfnom, ef l^ir verdTa sitter a; >a er Ht jamfaUt sem bann hafd'e skirt far sitt. En ef ^rot soeker Ha» ok er keypt, (a skolo born Hirra vinna fyri ]kim medTan Hu lifa, ok gaaga sknldlaast i braat. En ef Ha vilja eigi Ht, gjalde föetrlaan ]&at Hirra, er i braat vill fara.
16) QlL. §. 68: Nu fer leyi^ngi leysingja, ok er gort frelsisöl beggja Hirra, ^i gegna born beggja arfe. En ef Hu verdfa at Inroiom, >a ero Ht grafigfangsmenn; ekal grafia grof i kirk^agard'e, ok eetja Ha Hr 1, ok lata Hr deyja; take ekapdrottenn Ht 6r, er lengst lifir, ok fcelre Ht tid'an.
Mamreir: SchndäkneMtehaft nath aUnordischem Seehte. 9
lebende unter den Kindern beraasznnemen und zu ernähren. Dabei war nun aber der Freilasser, oder auch derjenige, der etwa aus blosem Mitleid eines dieser Kinder aufziehen mochte, berechtigt dieselben um den Betrag der auf ihre Verpflegung yerwendeten Kosten in Schuld zu nemen ^^), obwohl diess nicht gerade üblich gewesen zu sein scheint, oder die Schuldhaft doch wenigstens nicht schon von Rechts- wegen eintrat; ob die Absicht, dieselben fiir die Pflegekosten in Schuld zu nemen gleich bei der ersten Aufname der graf* gangsmenn erklärt werden musste, oder ob die gleiche Er- klanixig auch noch hinterher rechtsgültig abgegeben werden konnte, bleibt dabei zweifelhaft. Auch in diesem Falle liegt aber ein einseitiges Recht des Olaübigers vor, die Schuldhaft zu yerhängen; jedoch ist dasselbe nicht wie im vorigen Falle auf einen Vorbehalt begründet, welcher bei der Entlassung ans der Unfreiheit gemacht wurde, sondern auf eine Auslage, welche für die Erhaltung des Lebens des anderen Theils ge- macht worden war, also auf eine Art von negotiorum gestio. Ganz denselben Charakter zeigt aber auch noch ein weiterer Fall, welchen das Recht der Landschaft Drontheim an die Hand giebt^^). Stirbt dem Kinde einer Bettlerinn seine Matter weg, so soll der Bauer, in dessen Haus diese ge- storben ist, dasselbe Jedermann anbieten, der es „um Gottes willen'' aufidehen und vermögensrechtlich ausnützen (fenyta) will; erst wenn sich hiezu Niemand bereit erklärt, soll das- selbe der reihenweisen Verpflegung aller Volklandsgenossen
17) Q'iL. §. 298: Na skal eigi leid'angr gera fyri ]^a menn, er (rot rekr aptr f kyn, ok eigi fyri grafgangsmenn, ef mad'r leggr eigi skuld a 'H.
18) Fr]»L. II| §.2: En ef kona doeyr frä bame smasü erme^al husa gengr, H skal bönde foera bam l^at til kirkja, ok lata sklra, ok bjod'a h?eijam manni er foed^a vill til gad's Hkka. £n ef eogi viU vid^r taka, ok tht at fe nyta, H hafe bonde heim med" ser, ok fcB^e manad" hin nassta, en stdTan take fylkismenn aller, ok foed'e til gud's Mcka«
10 8i$Bung der phüa$.'phM. 0U»8ae vom 3. Januar 1874.
verfallen. Die Verpflegang um Gottes willen und die yer- mögensrechtliche Ausnutzung stimmen offenbar nicht recht zusammen, da erstere auf uneigennützige, letztere auf eigen- nützige Motive bei der Aufname des Kindes hinweist, und man möchte darum vermuthen, dass hier wie öfter in dem Rechtsbuche ältere und neuere Rechtsvorschriften ungeschickt combinirt seien; die Vermuthung wird bestätigt, wenn man bemerkt, dass die Worte „ok ser at fe nyta" im Cod. Resen. feien, und auch in dem Texte ausgelassen sind, welcher für das sog. Ghristenrecht Sverrirs benützt wurde^^), dass ferner das Christenrecht Erzbischof Jons ausdrücklich hervorhebt, dass solche Kinder um Gottes willen aufgezogen werden sollen, und nicht zu sklavischem Dienste*®). Die letztere Bemerkung zeigt deutlich, dass ein älteres, dem Aufnemenden vermögensrechtliche Vortheile bietendes Recht unter dem bewussten Einflüsse kirchlich-mildthätiger Gesichtspunkte um- gestaltet werden wollte; dieses ältere Recht kann aber kaum anders als dahin verstanden werden, dass dasselbe dem Pfleger des Kindes gestattete, den Betrag der aufgewandten Verpfl^ungskosten als Schuld auf dieses zu legen. In ge- wissem Sinne gehört ebdlich auch noch eine weitere Bestim- mung des drönter Rechtes hieher, welche von den hülflosen Personen handelt, deren bisheriger Ernährer sein ganzes Vermögen strafweise verwirkt hat'^). Zum Behufe der Liqui- dation des verwirkten Vermögens hat des Königs Amtmann einen Termin anzusetzen, an welchem neben allen anderen Masseglaübigern auch die von dem Schuldigen bisher alimen- tirten Personen zu erscheinen haben. Sind nun Liegenschaften vorhanden, welche an die Erben des letzteren fallen, und bleibt nach vollständiger Befriedigung der sämmtlichen übrigen
19) KrR. Sverris, §. 26.
20) ErR. Jons, §. 5: so sidTan allir fylkismenn Bkyldogir mt foatfa til gad'8 Mcka, en eigi ser til anaud'anDannB.
21) FrjL., V, §. 18.
Mmrer: 8ehiddllBneekt$€haft nach äUmrdiachem SeMe. 11
Glafibiger noch ein Rest von Fahrhabe für den König, be- ziehoDgsweise dessen Amtmann übrig, so werden diese beiden Vermogensmassen abgeschätzt, und die Alimentationsberech- tigten nach Verhältniss ihres Werthes unter die Erben und den Amtmann yertheilt; ist kein Land da, während doch Fahrhabe an den Amtmann fallt, so hat dieser die Alimen- tationsberechtigten allein zn übememen, wogegen die Ali- mentationspflicht umgekehrt ihrem vollen Umfange nach die Erben trifft, wenn zwar Land da ist, aber dem Amtmanne keine Fahrhabe verbleibt: in keinem Falle aber, heisst es, sollen freigeborene Personen an des Königs Kammer fallen, vielmehr sollen sie mit ihren Alimentationsansprüchen stets dem verwirkten Vermögen folgen"). Offenbar will damit gesagt sein, dass solche Personen nicht für den Betrag der auf sie verwandten Alimentationskosten in Schuld genommen, sondern als eine auf dem confiscirten Gute ruhende Last be- trachtet werden sollten, was auch ganz in der Ordnung war, weil die ihnen gereichte Verpflegung , anders als in den oben besprochenen Fällen, nicht als eine aus gutem Willen ge- gebene, und darum nur vorgeschossene gelten konnte; dass man aber eine ansdrücklidie Erklärung über diesen Punkt nöthig fand, zeigt immerhin, dass man mit dem Oedanken sehr vertraut war, dass der Verpfleger den Verpflegten für die Pflegekosten in Schuldhaft nemen möge. — Widerum lassen sich mehrfache Fälle dner strafweisen Begründung der Schuldknechtschaft nachweisen. Eine geschichtliche Quelle berichtet uns'*), dass K. Haraldr harfagri ein Gesetz erlassen habe, nach welchem Weiber, welche sich ausserehelich ver- gangen hatten, dem Könige anheimfallen und ihre Freiheit
22) Eigi skolo settborner menn i kondngs gard* ganga; SBtla skal feam fe ok atvinnu af atlögnm eyre.
23) F a gr s k i n na , §. 17 : I>a gettfi ok Haraldr ny log am kvenna- r^tt, — — En fld kona er hon leggsk a laan, ]« skal hon ganga i konungs gard*, ok tyna frelsi niim ]^ar til hon er leyst l^adTan med* >rem mörkom sex alna eyris.
12 BUamig der pkOoM^-pkOol. Oam w» 3. Jmmmr 1674.
▼«rfieren sollteo, bis sie durch eine Zfthlnng Yon 3 Mark ausgelost werden worden. In unseren Beditsbäcbem kehrt eine analoge Vorschrift wider, aber allerdings im Einzelnen in sehr verschiedener Gestalt. Das ältere Stadtrecht lässt noch ganz die ältere Strenge walten'^). Madien sich ächt- geborene Weiber eines aosserehelidien Beischlafes schnldig, so verwirken sie nämlich nach ihm dadurch ein Gewette an den König, nnd der Scholtheiss hat ihre Verwandten nnd Frennde aa£zaf ordern, durch dessen Entrichtung sie auszu- lösen; geschieht diess nicht, so soll er das schuldige Weib um den Betrag dieser Schuld im Inlands verkaufen. Ist aber das schuldige Weib eine Freigelassene, so kommen wesentlich dieselben Bestimmungen zum Zuge, nur dass das Gewette an den König durch eine an den Freilasser zu ent- richtende Busse ersetzt wird. Das Becht des Guladinges bedroht dagegen nur noch den ansserehelichen Verkehr des freien Weibes mit einem Unfreien mit dergleichen Strafe'^); ist das Weib freigeboren, so verfallt sie in des Königs Kam* mer, ist sie eine Freigelassene, in das Recht ihres Freilassers, und im ersteren Falle ist sie mit 3 Mark, im letzteren Falle mit einer nicht angegebenen Zahlung auszulösen. Aenlich steht die Sache nach dem Rechte der Landschalt Vikin'*),
24) Bjark. R., III, §. 127: £n ef 8Bttborin kons fyrirliggr ser ok verdTr sek vid" konung, ]^a skal gjaldkyri bjod*« firaendam ok vinnm at ]>eir leysi hana undan, en ef eog^ vill nndan leysa, ]« skal gjald- kyri sei ja hana til Ibeirrar skaldar ionan lands, en eigi ütan. En ef leysiDgja manns fyrirliggr ser ed'a fgalsgefa, ]^ä er hon sek vidr skap- drottin sinn 3 mörkum, jafht hinn Qord'a sem hinn fyrsta, en sa er U med) er sekr 6 aurum y\tS bann; ekki ä konungr a ]>vi.
25) G(L. §. 198: Aettboren kona legsk med» ^rsele, ]>a skal bon ganga i konongs gard*, ok leysa sik lied'an 3 mörkom; ok hverr mad^r
a at taka a leysingjn sinni 6 anra. Ef leysingja legsk medr
Kraale, ]« skal hon ganga i gard" skapdrottens sfns.
26) B]>L., II, §. 14: En ef hon segir eigi til (fad'ernis) innan manad'r, Pä heitir (rssll fad'er at W. bame; hon he&r leget sskt (sek) i gar^ konongs til 8 marka.
jedoch mit einer erheblichen Modification. Für den Fall nämlich, da die Eindsmutter gleich bei der Oebnrt einen freien Mann als Eindsyater angiebt, ist ?on keiner Strafe für sie die Bede; nur für den anderen Fall, da sie den Eindsvater zn nennen verweigert, und da in Folge dessen angenommen wird, dass sie das Eind mit einem unfreien Manne gewonnen habe, wird sowohl des Oewettes yon 3 Mark als auch des Verfallene in des Eönigs Eammer Erwähnung gethan. Ganz denselben Weg scheint nun auch das Recht Ton Drontheim zu gehdta"); auch hier verwirkt das frei- geborene Weib ihre 3 Mark an den Eönig nur dadurch, dass sie den Eindsvater anzugeben verweigert, und dass in Folge dessen ein Unfreier als der Vater gilt. Allerdings ist dabei von einem Verfallen in des Eönigs Eammer nicht die Bede; aber da hinterher von der Freigelassenen gesagt wird"), dass sie fiir das aussereheliche Beilager ihrem Freilasser 3 Mark schulde, und wenn sie nicht um diesen Betrag aus« gelöst werde, und dennoch seiner Gewalt sich zu entziehen suche, wie eine Sklavinn eingebracht werden solle, so ist damit denn doch auch der persönliche Anfall an denselben ausgesprochen, und liegt der Schluss nahe, dass bezüglich des freigeborenen Weibes dieselbe Eventualität eben nur als selbstverständlich unerwähnt geblieben sein möge« Ganz analog verfahrt denn auch dasselbe Bechtsbuch in dem an- deren Falle, da eine Nonne sich eines änlichen Vergehens
27) Fr]»L. II, §. 1: £n ef kons vill eigi segja til fad*erzuB, H Btefitd armad'r konüngs kenne Mng, ok kalle sva ImXi eigi bam medr kenne, nema hon aegi til fad'emia. En settboren kona sekizt 3 morkom silfra YidTr kondng nm tet mal, en bam skal mod'or fylgja. Ebenso K. R. Sverrifl, §. 31.
28) Fr>L. IX, §. 16: £n ef leyaingja manns fyrirliggr ser, K skal hon gjalda ikapdrottni ainnm 3 merkr, ok reid'i sa mad'r fe ]^t er vfll. En ef hon vill brig^a sik sid'an, l^ä skal hon fara at leid'zlu sem mansmait til skapdrdttins.
14 SiUimg der fhaos.-flMl. Clam vom 8, Jamwur 1874,
schuldig macht'*); sie verfällt der Gewalt des Bischofs, welcher hier gewissermassen die Stelle eines Privatherm einnimmt, nur wird freilich bei ihr nicht unterschieden, ob der Mann frei oder unfrei ist, mit dem sie sich eingelassen hat. Mag sein, dass die Wortfassung unserer Quellen nicht fiberall eine völlig correcte war, und dass die ßusszablung sowohl wie der Freiheitsverlust dem Weibe von Anfang an nur für den Fall drohte, da dasselbe sich mit einem' Un- freien eingelassen hatte, welcher Fall aber freilich sofort als gegeben galt, sowie ein freier Mann als Kindsvater nidit nachgewiesen werden konnte oder wollte; für unseren Zweck ist jedenfalls die Erledigung dieser Frage völlig gleichgültig, und gleichgfiltig auch, ob im einzelnen Falle die Rechtsfolge am Gunsten des Königs, des Bischoüs oder des Freilassers verwirklicht werden sollte; um so erheblicher ist aber für diesen Ort die Beantwortung der anderen Frage, ob es sich bei den besprochenen Rechtsvorschriften um eine strafweise eintretende Unfreiheit, oder um eine strafweise Begründung der Schuldknechtschaft handle. Die letztere Anname scheint mir die richtigere, ohne dass ich einen Grund fände, mit einem neueren Schriftsteller'*) dieserhalb zwischen der älteren und neueren Zeit zu unterscheiden. Die Möglichkeit, sich um einen gesetzlich bestimmt bezeichneten Geldbetrag aus der Haft zu lösen, scheint mir von Vornherein auf diese Auslegung hinzudeuten, und wenn das Stadtrecht von einem „selja tu skuldar", das Borgardingsrecht von einem „liggja sik i konÜDgsgar6 til 3 marka" spricht, oder das drönter Recht die strafEällige Freigelassene erst durch den wider- rechtlichen Versuch, der nächsten Stra£Folge sich durch die
29) Frl^L. III, §. U: Nu ef kona viU läU vigja sik til nunnu,
En ef hon misferr «f^Tan med* 8er, ])ä skal hon ganga i gard*
bisknps, en ni er gUspr hana, H er nk ütlsegr, en biskup hafe fe hans. Ebenso KrK Sverris, §. 68.
SO) von Amira, SL 264.
Jfanrer: 8chuiMm€chU(haft nach aitnordisehem Rechte. 15
Flndit 2Q entziehen, in die Unfreiheit gerathen läest, so dürfte auch hierinn eine Bestätigung derselben Auffassung liegen. Dass das isländische Recht , wie sich unten zeigen wird, in analogen Fällen ganz unzweideutig die Schuld- knechtschaft eintreten lässt, dürfte die Richtigkeit der obigen Anname vollends ausser Zweifel setzen, und jedenfalls wird man nicht gegen dieselbe geltend madien dürfen, dass Adam Ton Bremen wissen will, man habe in Dänemark die Weiber, die sich eines Fleischesrerbrechens schuldig gemacht hätten, ohne Weiters verkauft'^), und dass Saxo Grammaticus*^ seinen Frotho ni. bestimmen lässt, dass Weiber, welche sich mit Unfreien einliessen, zu deren Stand herabsinken sollten ; ganz abgesdien nämlich davon, dass beide Satzungen den dänischen Bechtsbüchem fremd'*), und somit zweifelhafter Verlässigkeit sind, mfissten dieselben schon darum auf einen völlig anderen Gesichtspunkt zurückgeführt werden, weil bei ihnen von einer Auslosung um bestimmten Preis nicht die Rede ist. — Aber noch ein paar andere Fälle scheinen unter den zuletzt be- sprochenen Gesichtspunkt zu gehören. Das drönter Land- recht, und ihm folgend auch das ältere Stadtrecht, stellt den Satz auf'^), dass gesunde und arbeitsfähige Leute, welche.
31) Adam. BremenB., IV, cap. 6, S. 870: molieres, si oonstn- prats fderini, statim Tendontar.
32) Saxo Grammatioasy Y, S. 227: At si libera consenaiaset in Berrum, ejna conditionem tsquaret, libertatisque beneficio spoliata servilis fortansB statum indaeret.
33) Yaldemars SsbII. Lov. cap. 86, S. 67—9, und ErikB S»ll. LoY, n, cap. 95, S. 91— 2, beBprechen den Fall, da eine Freie mit einem unfreien sieb einlässt, ohne von obiger Rechtsfolge etwas zu wissen.
34) Fr]»L., X, §.89: AUir menn, er ganga husa imed'al, ok ero eigi ^mslamenn, ok ero heilir, ok vilja eigi vinna, $a er sa sekr mörknm 3, sva karl sem kona, en ärmad'r ed'a annarr mad'r taki )ann mann med* vättom, ok hafi til l^lngs. £n frsendr bans leysi bann H 3 mörknm, edTa binn thnjii ser, er [Nuigat bafd'i, sem bann Till Ebenso Bjark. R., HI, §• 168.
16 SiUmg der phOoa.'pkad. Olam wm 3. Januar 1874.
ohne einem Freilasser nnterihänig zu sein, betteln gehen oad nicht arbeiten wollen, um 3 Mark gebfisst werden. sollen; des Königs Amtmann, oder anch ein beliebiger Anderer, soll derartige Menschen aufgreifen und zam Ding bringen, und wenn sie hier nicht von ihren Verwandten ausgelöst werden, soll derjenige, welcher sie vorführte, sie beliebig yermögena- rechtlich ausnützen dürfen. Eine änliche Bestimmung findet sich in dem Rechte der Hochlande, jedoch nur in dessen iUterer Recension, während sie aus der jüngeren verschwunden ist'^). Weiber, welche sich mit Zauberei oder Besprechen abgeben, sollen nach ihr um 3 Mark gebüsst werden; yer- mögen sie diese Busse aber nicht zu bezahlen, so soll jeder Beliebige sie an sich nemen und vermögensrechtlich ausnützen dürfen, und sollen sie der Acht verfallen, wenn diess Nie- mand thun mag. Beide Vorschriften sind kaum anders zu verstehen als dahin, dass derjenige, welcher die von dem unvermögenden Schuldigen verwirkte Busse für ihn entrichten wollte, ihn selbst dafür auf deren Betrag in Schuld nemen durfte; darinn dass dieses Recht sei es nun für den Fall, dass des Königs Amtmann nicht zugreifen wollte, oder auch gleich in erster Linie jedem beliebigen Privaten eingeräumt wurde, ist dabei nur einer der zahlreichen Anwendungsfalle einer Pönalklage zur kräftigeren Sicherung des Vollzuges von Strafbestimmungen zu erkennen, von welchen die nordischen Rechte wissen. Im Rechte des Guladings wird ferner der Satz ausgesprochen, dass der Freigelassene, welcher sich groben Undanks gegen seinen Freilasser schuldig macht, dafür in seinen früheren Stand zurückversetzt werden soll *^) ;
36) E(L., I, §. 46: Konft hver er ferr med' lif, ok Isez kannm boeta mannam, of hon er sonn at ]ftvf, fi er hon sek 3 morkam, ef hon hefer fe til. £n ef eigi er fö til, l>a take hverr er viU, ok fö- nyti 8er; en ef engl vill ser fenyta, ^ fare hon ütkeg.
86) 0(L. §. 66: En ef hann gerer einhvem Int )>eirra, ]>4 skal hann &ra aftr { sess hinn säma er hann var fyrr, ok leysask >ed'an
Mixuirtir\ Schülähnec^tsehaft $k»ch attnordiachem Hechte. l7
der Umstand, dass dabei die Widerauslösung des UndaDk- baren aus der Unfreiheit, in welche er ztirückyerfallt, sofort ins Auge gefasst wird, scheint darauf hinzuweisen, dass damit nicht eine blose Bevocation der Freilassung wegen Undanks gemeint sein möge. Das drönter Recht bestätigt diese Ver- muthung, soferne es den Freigelassenen, welcher sich für freigeboren ausgiebt, ohne den Beweis seiner freien Geburt erbringen zu können, mit dem Verluste seines ganzen Ver- mögens an den Freilasser, und überdiess noch mit einer Busse ?on 3 Mark bedroht, „falls er sie nicht abverdient"'^). Augenscheinlich ist hier an eine blose Schuldknechtschaffc gedacht, bei welcher der Schuldknecht die Schuld durch seine Arbeit abbezahlen kann; mag wohl sein, dass das „fe* D^ta", Yon welchem in mehreren der oben angeführten Stellen in geradezu technischer Weise gesprochen wird, ganz in dem- selben Sinne verstanden werden muss.
Dass in bestimmten, einzelnen Fällen derjenige, welcher eine Busse verwirkt hatte und nicht zu erlegen vermochte, oder für welchen ein Anderer eine Auslage gemacht hatte, die er nun widererstattet wissen wollte, einseitig in Schuld- haft genommen werden konnte, dürfte nach dem Bisherigen keinem begründeten Zweifel unterliegen; keineswegs ist aber damit auch sofort gesagt, dass auch bei allen anderen Schuld« verhältnissen der Gläubiger einfach zur Schuldhaft greifen durfte, wenn er auf anderem Wege keine Zahlung erlangen konnte. Es wäre ja recht wohl denkbar, dass diese Be- rechtigung nur auf die Fälle sich erstreckt hätte, in welchen
verd'anram; fe sinn hefir bann ok fyrirgjört; ebenda, §. 67: £n ef bann vill eigi aptr fara, >ä leid'i bann vitni ä bönd banom, at bann er leysingi bans, ok foere bann aptr bvart sem bann vill lansan ed'a bundinn, ok setja bann i sess binn sama, l^ar sem bann var fyrr.
37) FrlftL., ly, §. 10: En ef bann faer sik eigi skfrt, H befir bann fyrirgjört fe sinn olla yitf skapdrottinn , ok liggja ä 8 merkr silfrmetnar, nema bann lanni af s^r. Ueber den letzteren Ausdruck vgL Fritzner, s. v. laona.
[1874 1. PhiL bist G.] 2
18 SiUung der philM.-phUol. (Satte vom S. Jamtar 1074.
de entweder vom Iteclite ansdröcklidi rorgesehen, oder aber vom Schuldner vertragswäse zugestanden war, oder dasB aie doch wenigstens cur tat liquide Schalden gegolten hätte. Unsere Quellen sprechen sich über diesen Pnnkt ebensowenig aus wie über die andere Frage, ob die Schuldhaft in deo Fällen, in welchun sie «nseitig Tsrliängt werden durfte, so- gleich primär, oder erst dann verwirklicht werden durfte, wenn vorerst die Exeoution in das Vermögen des Schuldners vergeblich vereuclit worden war. Allerdings hat sowohl GjesstDg, S. 254, als Fr. Brandt, S. 199, and toq Amira, 8. 262 — 3, ein Anderes annemes, und eine Stelle des drönter üechtea higher b<.'ziehen wollen, welche von der gerichtlichen Verfolgung eines üinschichdgen ManneH handelt**); indeesen, wie mir scheint, mit Unr*icbt. Die Stelle bespricht den Fall, da Jemand einen einsdüchtigen Menschen, an den er etwas zu fordern liat, ianerhalb des VoUdsndes betrifft. Qiebt Golchenfalls der angeblidie Schuldner auf Befragen sein Do- micil richtig an, so soll nur gefordert werden können, dass er durch ein „tak", d. h. Realsidierheit oder Bürgschaft, dafür eine Gewähr biete, daee er sich dem gerichtlidien Verfahren nicht entziehen werde '^); giebt er dagegen sein Domicil nicht gchürig an, oder giebt er zwar dieses an, Je- doch ohue diu gesetzlich zu beanspruchende Sidierheit be- stellen zu können, sali sofort ein schärferes Verfahren ein- treten. Der Kläger soll nämlich solchenfalls seinen Gegner in Haft nemen dürfen, jedoch so, dass er ihm dorch die an- zulegenden Fesseln keinen bleibenden Schaden thue; er soll sodann mit Rücksicht auf das von Jenem benannte, oder eventuell von ihm selber innerhalb des Volklandes gewählte
36} Frlh.. X, §. 36—27; vgl. Fragment II, in Norges gkmie LoM, II, S. 6ia— IS,
39) Vgl. über da« Uk Fr. Brandt, Oin (brel&bige Batamidler i den gamte norekc Reettergsng, In datien Pr5v«forebeuiinger, S. 86 und fgg., sowie von Amira, 8. 839—46.
MaurtTx SehuUknechisehaft nach aiinoräischem Seehk. Id
Domicil ein Ding berufen, an diesem den Gegner gefangen Torfiihren, und sodann durch Zeugen seine Forderung be- weisen. Zahlt nun der Schuldner nicht, so soll ihn der Gläubiger seinen Verwandten zur Auslosung um den Betrag anbieten, auf welchen die Zeugen ausgesagt haben; wollen ihn aber diese nicht auslösen, so soll man seine Glieder auf den Betrag der Schuld anschlagen, und zwar so, dass mit den minder werth?ollen Gliedmassen der Anfang gemacht werden soll, und soll den Verwandten dadurch keine Busse fallig werden, wenn er ihnen nur vorher gehörig zur Aus- lösung angeboten worden war^^). Ich verstehe diese Worte dahin, dass der Gläubiger dem Schuldner soviele Gliedmassen abhauen sollte, bis deren Werth unter Zugrundelegung ihrer strafrechtlichen Tarifirung dem Betrage der Schuld gleichkam, und dass den Verwandten kein Wergeid zu entrichten kom- men sollte, wenn dem Manne auch diese Verstümmelung das Leben kosten würde; nur musste insoweit schonend verfahren werden, als man nicht minder entbehrliche Glieder angreifen durfte, solange noch entbehrlichere vorhanden waren. Gjes- sing hat dagegen, wiewohl an der Richtigkeit solcher Er- klärung zweifebd, diese Stelle dahin deuten wollen, als ob der Schuldner, zur Schuldhaft verurtheilt, mit seiner Person das Entgeld für die Schuld bilden solle, weil er denn doch seinen Verwandten zu wenig werth scheine, als dass sie für ihn bezahlen möchten, und von Amira ist ihm ohne irgend welches Bedenken zu äussern gefolgt; mir scheint indessen nicht nur der Wortlaut der Stelle ausschliesslich die erstere Auslegung zuzulassen, sondern überdiess auch noch die Ver- gleichung dner weiteren Stelle dieselbe zu bestätigen. Das ältere Stadtrecht nämlich lässt denjenigen, welcher, wegen
40) Die Worte lauten in Fr» II: £n ef (eir vi^ja eigi leysa hann nndan, 1« skal meta limi hans til sknldar, I«d'an fyrri sem hann er udyni, ok dgildr frsendmn, ef hann er bodrinn ad'r. Im Cod. Resen. •ind einzelne Bacbstaben aosgefallen oder mit anrichtigen vertanscht.
2*
20 SiUung äer philos.-phüol Clasie vom 3. JOMar 197*.
genisser strafrechtlicher Handlangea verfolgt, nur seine eigene Person als Sicherheit zu bieten vennag, über Nacht in Eisen halten und den folgenden Morgend vor Gericht Btellen; wird er hier überführt, und kann er nicht selber zahlen, so 6oU er seinen Freunden Dnd Verwandten znr AaslÖsnng ange- boten werden, für den Fall aber daes diese solche verweigern, soll der Gläubiger berechtigt sein TOD ihm herunter zu hauen wie er will, toq obea oder von unten**). Ich vermag diese letzteren Worte, welche uns in ganz gleichlantender Weise noch an einer zweiten Stelle begegnen werden, nur auf ein dem Gläubiger eingeräumtes Verstumm elnngsrecht zu be- ziehen, wie diess seinerzeit J. Grimm bereits gethan hat**), nnd demnach in denselben nur mit etwas anderen Ausdrücken Dasselbe gesagt zu sehen, was jene andere Stelle wo mög- lich noch rauher and drastischer bezeichnet hatte. Da das Verfahren mit tak, nnd insbesondere auch das Gefangensetzen des Beklagten, welcher solches nicht zu stellen im Stande war, auch dem Rechte des Guladinges bekannt war*'), li^t kaum ein Grund vor zu bezweifeln, dasa dieses auch eben- sogut wie das drönter Recht dem Gläubiger für den aüs- serstenFall diese Verstümmelungsbefugniss eingeräumt haben werde; um so zweifelhafter will mir aber erscheinen, ob in unserem Falle überhaupt von einer Schuldknechtscbaft ge- sprochen werden dürfe. Freilich gestatten die hiebergehörigen Stellen dem Gläubiger, seinen Schaldner in Haft zu nemen; aber diese Haft ist keine Schuldbaft, sondern nur bestimmt, die Stellung des Gegners vor Gericht zu sidiem, wie sich diess am Deutlichsten aus dem Stadtrechte ergiebt, welches sie nur eine einzige Macht währen lässt. Weiterhin aber
41) BjarL R., U, g. 50: [>4 akil bj6H haim frandam ok vinom QQdan at leysa. Nii ef teir bjoA'a eigi log fyrir hann, >& aktl aaku^- beri höggva af honnm bviirt aem bann vil), ahn eÜA aoStm.
42) ReohtMltertbOmer, S. 617. 48) QIL., §. loa.
Maurer: SchMhnechischaft nach ältnarcUsehem l^eehU. 21
wird dem Gläubiger, nachdem seine Forderung bewiesen, nnd damit das gerichüiche Verfahren zu Ende ist, fSr den Fall der Nichtauslösong des Schuldners durch seine Ver- wandten nicht etwa das Recht, denselben auch fernerhin in Haft zu behalten, sondern nur jenes Verstttmmelungsrecht eingeraämt, welches, wie sich unten noch zeigen wird, dem Gläubiger einem aufs Aeusserste widerspenstigen Schuldknechte gegenüber zustand. Es wurde demnach in diesem zweiten Stadium gleich mit dem aüssersten Ende angefangen, zu welchem die Schuldknechtscbaft unter Umständen fuhren konnte, und war somit für sie selbst auch hier wider kein Platz. Nur soviel wird sich also meines Erachtens mit Sicherheit behaupten lassen, dass das dem Gläubiger zuge- standene Verstümmelungsrecht dazu benützt werden konnte, den insolyenten Schuldner zur vertragsweisen Ergebung in die Schuldknechtschaft zu zwingen, und bierinn mag in der That dessen praktische Bedeutung gelegen haben.
Minder schwierig ist es, die Wirkungen der Schuld- haft festzustellen, und haben wir in dieser Beziehung wider Yon der oben besprochenen Hauptstelle in den Gula^ingslög auszugehend^}. Bei der durch Vertrag begründeten Schuld- knechtschaft bemessen sich aber diese Wirkungen in erster Linie nach den beim Vertragsabschlüsse beliebten Bedingungen, sofeme dieselben anders durch Zeugen bewiesen werden konnten^*); die Bestimmungen also, welche das Rechtsbuch selbst dieserhalb enthält, koniften im Vertrags wege modificirt werden, und kamen nur für den Fall unverändert zur An- wendung, dass eine vertragsweise Beseitigung nicht erfolgt, und allenfalls .sogar die Schuldhaft überhaupt nicht auf einen Vertrag begründet war. Man scheint aber dem Schuldknechte zunächst noch eine Frist verstattet zu haben, binnen deren
44) Qih., §. 71.
45) Halda skal slikt allt sem menn verd'a a satter, ok vattar yitu.
22 BitMvng der phtJoS'phildi dasie wm 3. Januar 1674.
er fiidi bemfiheo mochte die Zahlung seiner Schuld aufza- treiben, und dutfta derselbe, solange diese wShrte, und so- lange also nicht feststand, dass die Zahlung auf solchem Wege nicht zu erlangen war, nicht wie ein Unfreier mit Schlägen zur Arbeit angehalten werdeu*'); war dagegen erst dieser Versuch toialnngen, so trat für den Schuldner auch sofort die Sclmklhaft in ihrer TolleD Härte ein. Von jetzt ab ist der Sdiuldner seinem Gläubiger, dessen Frau and dessen Sklaven gegenüber „rechtlos", d. h. er hat diesen gegenüber für Verletzungen seiner Person, welche sonst mit einfachen Bus^zaliluDgen gesühnt werden naüssteo, solclie nicht mehr zu beanspruchen, wogegen er aach seinerseits keine Busse mehr zu entriohten hat, wenn er jenen Personen solche geringere Verletzungen zufUgt*'); tob jetzt ab also unterliegt er der häuslichen Zucht seines Gläubigers, und kann tod diesem beliebig körperliob abgestraft werden. Fremden ge* genüber gilt diese Etecbtlosigkeit nicht, vielmehr haben diese für jede dem Schnldknechte zugefügte Verletzung die volle Busse zu entrichten, wie sie diesem mit Rüdcsic^t anf seinen Geburtsstand zukommt; indessen soll von diesem Betrage der Gläubiger soviel vorwegnemen, als er für seinen Ober- knecht zu bezielien hätte, wenn diesem die gleiche Verletzung zugefügt worden wäre, und nur der Ueberreat soll an den Scbnldknecht seibat fallen **). Vollkommen folgerichtig spricht eine andere Stelle für den Fall, da eine der Schuldhaft unterhegende Frauensperson äeischlich verletzt wird, den
46) So verstehe ioh wenigitot» dtt Worte; Eigi akal huia med" högBram TÜB. häiiom til i«rla, oema bann megi eigi fä af h&nom »knld flfoa.
47) En BiSan ar hkon rittlaaM yÜS bann, ok bans kono, okman hnns allt, ok tvs. hv«rt l<eirra tI^ annat.
48) Ed ef aä'ror menn Ijösta bann, Ü ä bann ilikan r^tt i häo- om, sem ä brytja lüiiitni ijalfr ä bann >at er aak er alfka rHtar, «em bann a barä' tiL En janmdyrr akal bann ii at rUte, aem bann var« BkuidlaosR,
Maurer: SeMäkheehtsehaft nach aUnardischem Seehte. 23
Satz ans, dass der Schuldige zwar die volle Busse zu ent- richten habe, wie sie sich nach dem Geburtsstand berechne, dass aber der Glaubiger von diesem Betrage soviel wegnemen möge als er für die gleiche Kränkung seiner besten Sklavinn za bekommen hätte, wogegen der geborene Erbe des Weibes, welcher an und für sich die rolle Busse zu empfangen hätte, Dor den sich hienach ergebenden Mehrbetrag erhält*'). Eine eigenthämliche Schwierigkeit ergiebt sich dabei fiir den Fall, da ein in der Schuldknechtschaft begriffenes Weib sich mit einem unfreien Manne vergeht. Oben war bereits zu be- merken Gelegenheit*^), dass freigeborene Weiber, welche sich eines solchen Fehltrittes sdiuldig machten, der Schuldknecht- sdiaft des Königs verfielen, aus weldier sie sich durch eine Zahlung im Betrage von 3 Mark zu losen hatten; auf die skaldarkona angewandt, musste diese Regel aber zu einem Conflicte der Rechte des Königs mit denen des Schuldglaü- bigers fuhren. Da entscheidet nun unsere Stelle, dass des Königs Amtmann Nichts an das Weib zu fordern haben solle, lolange dieses nicht seine Schuld abbezahlt habe^^), und sie ässt demnach das Recht des Königs dem Rechte des Privat- llaubigers nachstehen, ganz wie derselbe Grundsatz auch in iner Reihe Von anderen Fällen zur Anwendung kommt*'), iine weitere Besonderheit, welche die Busssachen der Sdiuld« necfate zeigen, ist femer die, dass der König für die Ver- ätzung eines solchen nur unter der Voraussetzung ein Ge- 'ette erhalten sollte, dass der Verletzte selbst einen Theil
49) 0)L., §. 198: Mad'r k at taka a Bknldarkono sinni sllkan (tt sem i ambott sinni beste, erflng^ ^t er aak er, sliks r^ttar sem 3n a bordr til.
60) oben, 8. 12, Anm. 25.
51) G>L., §. 71: En ef skaldarkona legsk med" ^reele, H i ar- ad'r ecki 4 henne fyrr en hon hafe goldet hina skald.
62) vgl. z. B. 6}L. §. 162; 189; Fr}L., IT, §. 22; Bjark. R, , §. 38, vnä m, $. 91,
24 Sitiunff der phüo3.-phiM. Qa»te mm 3. Januar 1874.
der Busse bezog"); für Verletzungen also, welche dem Schuldkoeclitc von seinem Gläubiger oder dessen HaaBgenossen zugefügt wurden, wurde kein Gewette bezahlt. Im Uebrigen soll der Gläubiger seinen Schnldknecbt wesentlich ebenso behandeln, wie er seine aufreien Leute behandelt. Aof der einen Seite darf er ihn also zur Arbeit anhalten ganz wie diese, und zwar nöthigenfalls sogar unter Anwendung von Schlägen; auf der anderen Seite aber soll er ihm auch ein Peculiiim (orkü) verstatteo, wie den Sklaven ein solches ver- stattet KU werden pflegte**). Der Ausdruck „nejta", ge- niessen, geltr^iuchen, wird in der ersteren Beziehang gebraucht, gunz wie wii an einer Beihe anderer hieher gehöriger Stellen die Bezeichnung ,,feDjta" in gleichem Sinne gebraucht &nden*^). Das letztere Wort wird anderwärts aach für die vermögenB- recbtliche Ausnützoag ron unfreien verwendet^'), und 'sogar für (]eü Gebrauch lebloser Güter, wie etwa von StrandhoIz^O oder Straiidwalen"), oder auch anderer Falirhabe*'); es be- zeichnet Eebt' cliarakteristisdi die Bachenrechtlicbe Bebandlnng des Schuld ka echtes, lasst uns ^ber allerdings darüber im Unklaren, ob <ler Ertrag seiner Arbeit ihm auf seine Schuld aogerechnet worden sw oder nicht. Wird der Schuldner wäbrend der Dauer seiner Schuldknechtschaft arbdtsunfahig,
63) Engan li konongr ritt & •kuldkrmtnne, iw >sm qälfr buin a cngan reit ä aer.
54) >'ii skal hann neyta Bkaldarmann Binn Bern t>t«\ ainn, ok Bvä frera bann til verka; li& Bkal orko gefa hänom Bern fnelom sinnm.
55) vgl. FrTL., II, 1.2; X, g.SS; Bjark. R., lU, §.1GS; £>L., I, %. ib: oheu, S. 9, Anm. 18 und 10, Aun, Sl, dann 16, Anin. SG.
5G) Kgsbk. g. 111, S. 191; VfgBl., cap. 106, S. 155; BO wobl auch OtL., ^. 20, wo jedoeli ein „eigi" kd feien Bcheint.
57) Lftiidabrb-, oap. 68, 8. 857.
58] X raa bp» «., oap. 68, 8. 760.
5'.ij Flatcyjarb6k, II, S. 374; die getoktchtL Olafs b. halgis. cap. 131, 3. 164, Heimakr., cap. 151, S. 408, und FHS., IV, cap, 1S7, S, 340, branohen Am Ädjeotiv föny'tr odor fineytr.
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Maurer: SchtUdknechtschaft nach altnordischem BeehU. 25
80 hat ihn der Gläubiger zu aUmentiren ; doch kann derselbe TOD der ihm drohenden Verpfiichtung sich dadurch frei machen, dass er demselben seine Schald bereits zu einer Zeit erlasst, in welcher er noch arbeitstüchtig ist, and in welcher ihm die Schuldknechtschaft somit noch Vortheil, und nicht blos Nachtheil bringt. Die Alimentationspflicht trifft solchen- falls die Verwandten des bisherigen Schuldknechtes, wie wenn dieser niemals in Schuld genommen worden wäre'^). Erzeugt ein Schuldknecht während der Dauer seiner Schuldknechtschaft Kinder, so liegt deren Unterhalt zunächst ihm selber ob» ganz wie auch der unfreie für den Unterhalt seiner Kinder in erster Linie mit seinem Peculium aufzukommen hat^^); eventuell aber hat hier der Gläubiger wie dort der Eigen- thämer die Alimentationslast zu übernemen. Doch soll beim Schuldknechte letzterenfalls der Betrag der Schuld, für welche er verhaftet ist, um den vollen Betrag der ausgelegten Ali- mentationskosten sich vermehren, und von dem Augenblicke an, da die Schuld zufolge dieser Vermehrung den vollen Werth des Schuldknechtes zu übersteigen beginnt, die Ali- mentation etwaiger weiterer Kinder desselben seine Ver- wandten und nicht mehr seinen Gläubiger treffen^'). Wie dabei hinsichtlich der Abschätzung des Werthes verfahren wurde, wird uns nicht gesagt; indessen kommt auch sonst
60) Nu fsBr bann eigi goldit skald, ok eldisk hann ä hendr I>eim manne er ä at honam skold, ok verd'r hann at umaga, ]>a er bann hans ümag& Hann a ok kost at gefa h&nom skald med'an bann er yerkfoerr; >a hyerfr hann a hendr freendom, ])6 at hann verd'r at dmaga.
61) vgl. G>L., §. 67.
62) Nu ef skaldannad'r getr böm, )>a er vel ef hann a själfr fe til at fela born sin af hendr ser; en ef hann a eigi själfr fe til, )>a skal sa fela, er skald a at hanom; (a eyksk hänom skald sva miklu sein bann felr böm bans af hendr ser , sy sli I>eir bä^er am stad* bame* Na skal skald aukast hänom til hann l^jkkir falldyrr at ver^e. En ef bann gerir böm svä mörg, 'ii skolo fraandr hans taka vid" bömom sfd'an, hvegi mörg sem era.
26 Bitnmg der philoi.-phüot. Ctaau vorn 3, J'aniu»' 167^.
die Taxirnug des Werthes von Menecben im Rechtsbache Tor^'), sodass dieselbe sn nod für sidi nichts Aafiälligee hat. In einem Punkte untersdirädet sich UbrigenB die Behandlang des Schuldkneciites sehr wesentlich ron der des UDfreien. Der Giaübiger durfte nämlich seinen Scbnldner nidit als Sklaven verkaufen, wenn er nicht g&nz denselben Strafen verfallen wollte, mit denen der Verkauf jedes anderen FmeD bedroht w»r, es sei denn dass dieser sich seinem Dienste durch die Flucht zu eDtziehen sudite; aber in diesem letsteren Falle verfiel der Sciiuldoer, wie sich nuten noch zeigen wird, ohnebin der Unfreiheit, sodass auch solchenfalls unsere Regel keine Ausnamo erlciilet '*). Den Verkäufer sowohl als den Käufer, wenn anders auch dieser letztere um den wahren Sachverhalt wusate, soll eine Strafeablung von je 40 Mark treffen, und wenn dabei gesagt wird, dass der Landberr (lendr niaSr), der eines solchen Vergehens sich schuldig macht, diese Zahlung haUi .in den König und halb an die Angehörigen des Volklundes entrichten solle, der Amtmann (ärma&r) des Königs dagegen ganz an diese letzteren, so ist diese nur der Ausfluss einer Regel, welche ancb in anderen Fällen beobachtet wurde *^) , und WL^lcho mit der verschiedenen Würde und dienstlichen Stellung beider Classen königlicher Bediensteter zusammenhängt.
63) vgl. GjiL.. g. 67.
64) Nu ef jatir aelr akaldsnnann manule, nems h«ia ttupi or sknlä, >ä er bann sekr 40 mkrka, ok >vi hverr er fiialsmn mmim selr. En ef lendrmafr selr, In skal bmnn hälft kononge gjalda, bd hälft f^lkUmönnum. Kn ef drmsA'r konoDga aolr, \k ikal hann gjald«
40 raarka fflkisniöniiiim. Engi mafl^r skal aslja fijäUfto maan
maniale, eit ef hann verdr at yri konnr ok iannr, \k ikal bann gjalda 40 marka, ok av& hinn er kanpir, ef haiiii vait, at hann var &j&1b. — — Ef m&d'r selr mann fij4Uaii & hcdS'it land, ik akal bann gjalda 40 marka, ok koma bänom aptr, ellar gjalda hann gjöldnm apt; freendam bans.
66) vgl t. B. GI>L. g. 163 and »8.
Mmunri Sdmidknechtschafi nach aUnordisekem SeMe. 27
Es kann nun aber Torkommen, dass der eine oder an- i i - dere Theil die Beendigung der Schuldkneohtschaft
: durch Zahlung der Schuld herbeizuführen wünscht, für welche
' : der Sdinldknecht Terhaftet ist, und auch für diesen Fall ist
' in uoserer Stelle Fürsorge getroffen. Ist es der Schuldner,
' welcher dem Verhältnisse ein Ende machen möchte, so gilt
es fiir ihn eben einfach die Mittel zur Zahlung aufzutreiben.
Er kann aber von seinem Gläubiger auf einen halben Monat
Urlaub verlangen, um sich innerhalb des Volklandes um diese
omznthun; überschreitet er jedoch diese Grenzen , oder Ter-
lässt er heimlich seinen Dienst, so wird diess als widerrecht-
lidie Flucht angesehen, und zieht ihm die Strafe der Sklaverei
zQ^^. Ist es umgekehrt der Gläubiger, welcher sein Geld
heraus verlangt, so hat widerum zunächst der Schuldknecht
selbst dafür zu sorgen, wie er es auftreibe; thut er diess
Dicht, so mag ihn der Gläubiger vorab seinen Verwandten
anbieten, sodann aber, wenn ihn diese nicht kaufen wollen
oder können, ihn im Inlande verkaufen an wen er will, je-
dod) nicht um einen höheren Preis als den Betrag der Schuld,
ior welche er verhaftet ist'^). Während demnach eine Ver-
afisserung des Schuldknechts als Sklaven bei strenger Strafe
Tcrboten war, wurde ein Verkauf desselben als Sohuldknecht,
oder anders ausgedrückt: eine Veraüsserung der Schuld, welche
aaf ihm ruhte, mit dem diese Schuld sichernden Rechte an
seiner Person, allerdings als zulässig betrachtet, wenn auch
66) Nd tkal bann lar yers, ok fä ]^4 aara er bann er fastr; ef bann vill eigi Hr hafa yerit, )>a skal hann eiga amhvarf bälfan mana^innan fylkisat sysla um sknld H er hann äatgjalda. En ef hann ferr huldn höf<9re, ed'a ör fylki, la er hann I>r8Bll, ef hinn tekr hann, er sknld a at hanom.
67) Nq Till «4 aura hafa af skaldarmanne sinom, ii er vel ef bann sjalar qalfr am. En ef hann vill eig^ sjalfr am sysla, )>a skal hann bjod'a firaendom; >a er vel ef }eir vilja ha£a keypt, ellar skal hann seQa hann hvert er hann vill innan lands, ok selja at aanun eigi meiram en hann var fastr,
28 Sitzung dtr phHOB.-phUol. Claau vom 3. Januar 1874.
nur unter gewiBsen beschränlceDdeD VorauBBetZQügen. Auch der Fall wiid ferner Bpeciell Torgeseheo, da aich der Schuld- kneclit gfgi^n seinen Gläubiger widerspenstig erweist und nicht für i))n arbeiten will; die härtesten Massregeln werden Hir diesen Fall in Anssidit genommen. Der Gläubiger boII näuilich srinea trotzigen Schuldner zum Ding fuhren, und iiier seinin Verwandten zur Anslöaung anbieten; wollen oder können ihn diese aber nicht saslösen, so darf der Gläubiger von ihm büliebig welche Stücke herunterhauen, sei es nau TOD oben oder von unten, d. h. er darf ihn beliebig ver- stümmeln'^^). Die letzteren Worte auf ein bloses ZUchtigungs- recht zu beziehen, wie neuerdings rersncht wurde'^), scheint mir nicht zulasBig; der Wortlaut der Stelle sowohl als die V^ergleichung zweier anderer, oben bereits beeprochener Stellen scheint mir fiir die obige Deutung au Bprechen, and diis noclim»lige Anbieten an die Verwandtschaft, an welchem man Anstoss genommen hat, dürfte sich vollkommen befrie- digend ims dem neuen und ungleich härteren Prtejadice er- klitren, welches in diesem Falle an die Verweigerung der AiiälösuDg sich knäpfte. — Endlich bertickBichtigt unsere Stelle auch noch die Möglichkeit, dass ein freier Mann als Schuliikoecht behandelt wird, ohne doch in rechtsgältiger Weise in Selmldhaft genommen worden zu sein'°). Ein solcher, heisst es, soll zum Ding gehen, und sich hier ans der Schuld ziehen, ohne dass er zu solchem Behufe Jemanden eine Ladung zugehen zu lassen braächte; aller Wahrscheinlichkeit nach
68) Nii hylSr ma^r >rj6t (eim er >ka1d i at hinoin, ok tUI eigi viuns fyrir liibom, fosre hann i (fng ok hjölte frandom »t leju haon 6r Bkuld t>eirri. Nu Tilja frsndr eigi leria bann, I« ikal b& er sknld B at hiinom, oiga kost at höggva sf h&nom hTÖrt letn huin rill, ofan etSa, iteSa.n.
6!)) von Amira, S. 266.
70) Ni'i kamr frjäli ma^r i aknld, ok er eigi rätt tekinii {, >ä skal bann fdra ä Üng, ok brigta aik ör ikold; Hrf bann engnm maane at Btefna tiL
Maturer: S^iMkneehttehaft nach alinarduehem BeehU. 29
will demnach ohne Rücksicht daranf, ob der angebliche Gläubiger am Dinge anwesend oder nicht anwesend war, der blosen am Dinge vorgebrachten Erklärung des angeblichen Schuldknechtes die Wirkung beigelegt werden, dass derselbe einstweilen als von der Schuldhaft frei zu gelten hat, bis der Gegner den Beweis ihrer rechtmässigen Begründang er- bringt. Ein derartiger Satz wird aber dadurch begreiflich, dass die vertragsmässige Begründung der Schuldhaft yoUe PablidtfiBt voraussetzte, und dass doch wohl auch bei deren einseitiger Verhängung, soweit solche überhaupt zulässig war, eine nachträgliche öffentlidie Bekanntmachung nothwendig gewesen sein wird, obwohl allerdings unsere Quellen dieses Erfordernisses keine Erwähnung thun.
Man sieht, das Bisherige lässt die Stellung sehr genau erkennen, welche der Sdinldknechtschaft im altnorwegischen Rechte eingeräumt war. Auf der einen Seite war dieselbe der Unfreiheit sehr änlich gestaltet, wie denn zumal die Ver- pflichtung des Schuldners, für den Gläubiger zu arbeiten, die Beschränkung seiner Freizügigkeit, seine Rechtlosigkeit dem Gläubiger und seinen Hausgenossen gegenüber, dann der dem Gläubiger eingeräumte Bussbezug für seine Verletz- ung den Schnldknecht dem Sklaven sehr nahe rückt. Auf der anderen Seite werden aber beide Dienstverhältnisse doch wider scharf geschieden, wie sich diese zumal darinn zeigt) dass unter Umständen der Schuldknecht zur Strafe für sein widerrechtliches Verhalten zum Unfreien gemacht wird, und dass dessen Verkauf als Schuldknecht unter Umständen er* lanbt ist, während sein Verkauf als Unfreier der strengsten Strafe unterliegt« Es kann nicht schwer halten den Punkt ausfindig zu machen, auf welchem sich beide Institute zweien. Die Unfreiheit ist auf die Dauer berechnet; sie drückt den ilv Unterworfenen Zeitlebens, und geht selbst für alle Zukunft auf dessen Nachkommen über, bis ihr etwa eine rechtsförm- liche Freilassung ein Ende macht, deren Eintritt doch rein
30 SiUung der phüos.^^hMl. Glosse wm 3, Januar 1871»
aüsserlich in den Bestand des Verhältnisses eingreift ^ ohne irgendwie in dessen Natnr begründet zu sein. Die Schold- knechtschaft dagegen ist ihrer innersten Natur nach nur zu vorübergehendem Dasein berufen; sie steht und fallt mit da* Schuldforderung, za deren Gunsten sie entstanden ist, und wie bei der Eingehung eines Schuldverhältnisses bereits dessen Untergang durch Zahlung der Schuld ins Auge gefasst ist, so trägt demnach auch die Schuldhaft von Anfang an den Keim ihrer Auflösung in sich. Mit anderen Worten: die Freiheitsrechte, welche dem Unfreien fehlen, sind bei dem Schaldknechte nur suspendirt, und selbst während der Zeit, in welcher sie suspendirt sind, muss dodi immerhin die stets Torhandene Möglichkeit ihres sofortigen Widerauflebens im Auge behalten, und die Thatsache anerkannt bleiben, dass der verhaftete Mann im letzten Grunde seines Wesens eben doch frei, nicht unfrei sei. Ein gewisser Zwiespalt kommt Yon hier aus ganz unvermeidlich in das letztere Institut herein, und wenn sich zwar alle Seiten seiner rechtlichen Ausprägung vollkommen folgerichtig aus dessen doppelter Natur ableiten lassen, so lässt sich doch nicht verkennen, dass die Grenze, bis zu welcher man den einen und den andern der beiden streitenden Gesichtspunkte durchführen wollte, im Einzelnen eine willkürlich gezogene war, und dass das Institut somit auch redit wohl eine mehrfach andere Gestalt hätte annemen können, ohne darum minder consequent ausgebildet zu er- scheinen. — Praktisch genommen verfolgt die Schnldknecht- Schaft femer den Zweck der Sicherstellung einer Forderung, und sie tritt ebendarum dem Pfandrechte an die Seite; wenn wir aber im altnorwegischen Rechte eine doppelte Art der Verpfandung unterschieden sehen, so ist es die m&lajÖrS oder forsölujörS, nicht das ve6, deren Analogie sie folgt ^^).
71) vgl. L. M. B. Anbert, Eontraktspantets historiske Udvikling iuDr i dansk og norsk Ret (1872), und meine Bemerknngen aber diese Schrift in der Erit. Yierte^ahresBChrift, Bd. XY, S. 287 u. fgg.
r
Üimrer : SehMhnechtsehaft nach <ütnordiBehem Rechte. 31
Von einem Verfallen des Pfandes im Falle nicht rechtzeitiger Tügang der Schuld, wie solches beim veS eintrat, war bei der Scholdknechtschaft nicht die Rede; die Sicherang des Gläubigers beruhte bei ihr vielmehr ganz wie bei jener ersterai Art der Verpfändung lediglich auf dem Besitze und Genüsse des Pfandobjectes , auf dem Einflüsse welchen die Entbehrung dieses Besitzes auf den Willen des Schuldners ausBben musste, endlich auch auf jenem bedingten und be- schrankten Distractionsrechte, welches dem Gläubiger einge- rafimt war. Interessant wäre zu wissen, ob die Arbeit, welche der Sdiuldknecht während der Dauer seiner Schuldhaft ver- riditete, ihm auf seine Schuld angerechnet wurde oder nicht. Der an einer der obigen Stellen gebrauchte Ausdruck „launa af ser^^^*) möchte für die bejahende, der Umstand dass unsere Beehtsbücher nirgends Vorschriften über die Feststellung des Werthes der Arbeit n. dgl. enthalten, umgekehrt für die ver- neinende Antwort sprechen; mag sein, dass es auch in dieser Beziehung änlich stand wie bei der mälajörS, bei welcher die aus dem yerpfändeten Lande gezogenen Frächte ur- sprünglich nicht auf die Schuld verrechnet worden waren, während später in dieser Bezidiung der Gebrauch schwankte. JedenfiJls erinnert aber die für die Eingebung der Schuld- knechtschaft vorgeschriebene Publicitsst, sowie die Nothwen- digkeit, den Erben des Schuldners dabei den Einstand an- zubieten, wider an die Vorschriften über die Begründung jenes Immobiliarpfandrechtes ; wenn ferner Weiber nur mit Zustimmung ihrer Verwandtschaft sich in Schuld geben dürfen, so wird man nicht umhin können sich zu erinnern, dass zwar unsere norwegischen Rechtsbücher die Weiber bei der Ver- aüssemng von Liegenschaften nicht ausdrücklich an die Mit- wirkung eines Geschlechtsvormundes binden, aber doch das
72) vgl. oben, S. 17, Anm. 87.
32 Sittung der philoB.-phitol. Glaste vom 3, Januar 1874.
isländiscbe diese za solchem Behufe fordert"), worinn denn doch nur ein Ueberrest der ältereo norwegiBcben Rechts- anschauaiig erkaout werden kann. Vollkommen consequeot liess sich freilieb die Analogie des Immobiliarprandrechtes bei der Schuldknechtacbaft ntcbt durchführea, da die Eigen- Schaft des Pfandobjectea als einer Person, nicht Sache, bei dieser eben doch gar maDcbe EigenthümUchkeit bedingte.
Zum Schlüsse mag noch bemerkt werden , dass die SchnldbnechtBchaft in der späteren norwegisclien Ge- setzgebung nur noch in sehr abgeschwächter Gestalt auf- tritt. Nach dem gemeinen Landrechte, nnd ebenso nach der Jönsbök^*), soll nämlich der Gläubiger von einem Schulduer, welcher unbescholtenes Rufs und erwetslichermasaen durch Scbiffbrucb, Feuer oder einen anderen derartigen Unglücks- fall um sein Vermögen gekommen ist, nicht mehr fordern dürfen als das eidliche Versprechen, dass er seine Schalil sofort berichtigen werde, sowie ihm Gott zu den nöthigen Mitteln verhelfe. Kann sich dagegen der Schuldner aaf keine derartige UnglückBralle berufen, so mag ihn der Gläubiger m Haft nemen und zum Ding führen; hier hat er ihn sodann, seiner Fesseln entledigt, seinen Verwandten zur Auslösung nm den Betrag der Schuld anzubieten, und wenn diese ihn auszulösen ablehnen, wird ihm, wenn er anders arbeitsfähig ist, durch Urtheil und Recht die Verpflichtung auferlegt, seine Schuld durch Arbeit abzorerdienen, jedoch so, dasa er seinen Verdienst da suchen mag wo er ihn findet, und nur für den Fall, dass er sich dieser Verpflichtung durch die Flucht zu entziehen sucht, einer im Frocessvege zu reali- sirenden Strafe verfalU. Im gemeinen Stadtrechte kehrt im
78) KgBbk,g.l63,8.45: Fe>tft>., OBp.21, S. 884, undLanda- brb., oap. 2, S. 2U— 18.
74) LandilÖg, Kmnpab., §. 6; Jönsbäk, Eaupab., §. 7. Die J&rnBi^a eotbUt überhaupt keine hieber beEägliohen Beatim- muigen.
UoMftf: SchviUCkneehUchaft nach (üinordischmJRtcUe, 33
I
Wesentlichen dieselbe Bestimmung wider ^^); nur wird sie, Ton einigen processnalischen Besonderheiten abgesehen, dahin modificirt, dass dem flüchtigen Schuldner statt einer unbe- stimmten Strafe die Rechtlosigkeit angedroht wird. Von einer Schuldhaft ist demnach hier im Grunde überhaupt nicht mehr die Rede, und ebendarum wird man diese späteren Rechtsvorschriften auch nicht dazu benützen dürfen, um auf die allgemeine Verwendung der Schuldknechtschaft als Voll- streckungsmittel bei beliebig welchen Schuldforderungen im älteren Rechte Schlüsse zu ziehen.
II. Das isländische Recht. Die Terminologie des isländischen Rechts ist in Bezug auf unser Institut ziemlich dieselbe wie die des norwegischen; doch fehlt es nicht an einzelnen geringen Verschiedenheiten des Sprachgebrauches. So wird z. B. für die Schuldknechte vergleichsweise selten die einfache Bezeichnung skuldar- menn gebraucht^'), während regelmässig die in solenner Weise yerstärkte Form lögskuldarmaSr, lögskuldar- kona verwendet steht; als sknldfastr oder skyldfastr wird derjenige bezeichnet, der der Schuldhaft unterliegt "^ ^), and als 8ku4dfeBta das Versetzen eines Menschen in die Schuldhaft ^®), sowie als skuldfestr der Act dieses Ver- Setzens ^^). Eine Reihe anderer Ausdrücke, welche theils die Begründung der Schuldknechtsohaft, theils das Verharren in derselben, oder wider die Lösung aus derselben zu bezeich- nen pflegen, wird unten noch gelegentlich anzuführen sein.
75) Bjark. R., Eaapab., §. 13.
76} z. B. Kgsbk. §. 9, S. 26; §. 14, S. 81; §. 44, S. 78; §. 110, S. 189; ErR. hinn gamli, cap. 18, S. 94; cap. 28, S. 110-^12; 7ig8l6d^, cap. 111, S. 162.
77) Kgsbk, §. 128, S. 4; §. 96, S. 171; Omagab., cap. 1, l. 233; Vigslo^i, cap. 86, 8. 70.
78) Kgsbk, §. 128, 8. 4; Omagab., cap. 1, S. 288; Festa])., «p. 47, 8. 362—8.
79) Kgsbk, §. 44, S. 78; dann Festal^., cap. 48, S. 863. [1874, 1. PM. bist. Cl.] 8
34 Sitnmg der ghihij-phOot. Olaue wm 3. Januar 1S74.
Auch die reditlicbe Anspriigung der Sohuldloiechtscliaft war aof Island eine ziemlich änlidie wie in Norwegen; da dieselbo aber in den isländiscben Reobtsbücbern immer nur gelegentlich erwähnt, dagegen turgends zUBammenhängend besprochen wird, ist es nicht leicht, über dieselbe TÖlhg ins Klare zu kommen, nnd zwar macht anch hier wider vor Allem die Frage nach der Begründung der Schnldhaft Schwierigkeiten. Die einzelnen Falle, in welchen diese in den Rochtsbücbem besprochen wird, sind folgende. Wo im- mer Jemand Terpflichtet ist die Alimentation eines Anderen zu übernemen, da soll er berechtigt sein diesen für die hierauf erlaufenden Aaslagen in Schuld zu nemen'"); nur darf diess nicht für einen höheren Betrag geschehen, als welchen der Werth des Belasteten erreicht, nnd muss über- dtess die nöthige Publicitffit dem Acte gegeben werden. Es ist nur eine spedelle Anwendung dieser Regel, wenn ander- wärts auagesprodien wird*'), dass derjenige, welcliem ein Dieb gerichtlich als Sklave zugesprochen worden ist, und welcher demgemSss die bisher von diesem yerpflegten Per- sonen nun seinerseits alimentiren muss, diese letzteren be- züglich der Verpfiegungakosten in Schnld zu nsmen befagt sein solle. Wenn ferner ein Mann, dessen Aeltem alimen- tationsbedürftig werden, nicht im Stande ist diese selbst zu alimentiren, so musa zwar der nächststehende Verwandte, dessen Vermögen hiezn hinreicht, deren Verpflegung über- nemen; aber derselbe hat das Recht, den Sohn für deren IJetrag in Schuld zu nemen"). Dabei soll zanächet der
80) 0 m a g a b., osp. 60, S. 293 : pi er ömagar komft & hönd mmiini, tä ä hann kott at leggja lögikald i ömaga, ok segja til bilam iiDiun 5, ok k lingi, ok bsnna innihafair hana, ok leggja eigi meiri akald i enn binn er veHTr.
81) Kgibk, §.229, a 166: •& & koat at leggja lögsknld i (imaga iTwlieni.
B2) Kgtbk, 8- 138, S. 8—4: Ef bann hefir tigi fö tU, H tkal huin gänga i akuld ^r iD6A'or eina. Nä Parr Mit bans hMt
«
üfottref : SchtUdJcnecJUschaft nach ältnardischem Sechie, 3ö
Sohn diesen Verwandten aufsuchen, und ihm anbieten, bei ihm in Schuld zu gehen, wobei jedoch auch wider seine Verpflichtung nicht über den Werth hinausreichen soll, welchen er hätte, wenn er ein Unfreier wäre; wenn er sich aber diesem Schritte entzieht, soll der Verwandte berechtigt sein ihn seinerseits in Schuldhaft zu nemen, indem er ihn nöthigen- falls auch ohne seine Anwesenheit an seinem Domicile form- lich auffordert, sich bei ihm einzufinden, und wenn diess Nichts hilft, ihm die Schuld ohne Weiters auflegt, wovon sodann vor 5 Nachbarn, und weiterhin am Alldinge Anzeige zu machen ist Hinter der Alimentationspflicht gegen die Aeltem steht sodann die gleiche Verpflichtung gegen die eigenen Kinder; auch für diese muss man nöthigenfalls in Schuld gehen, sofeme man nicht etwa vorzieht, die Kinder selbst in Schuld zu geben, und haben die Aeltem zwischen beiden Auswegen freie WahP'). Es ist im Grunde nur eine
framlonlo, (a skal ganga i skald fyrir hann« Ef hann hefir gengit f flkold fyrir fo^or sinn, enda ))urfe mo^ir hans framförslo sfd'an, )>a a hrtfir hans at hverfa til frcenda sinna at tomforslonne, onn hann skal ganga i skuld fyrir mod'or slna. Ef hann heiir eigi fd til at fora fML fram (a skal hann fara Kngat er enn nanaste nid'r er (eim >eirra manna er fe & til at fora (au fram ; ]^ä skal hann bjod'a I>eim manne at gänga i sknld fyrir ]>aa ]>ar; skalat hannmeire sknld eiga
enn hann vsere verd^r ef hann vaeri >rsell. Ef hann vill eigi
ganga i skaldena, H 4 hinn (6 at sknldfesta hann at hvaro. Enn ef hann vill firrazk hann e6'a flöja, H skal hann fara til heimilis hans, ok beid'a hann tilfarar; enn ef hann vill eigi til fara^ ]>a skal hann leggja lögskold a hann at hvaro, ef hann vill; lysa skal hann fyrir heimilis büom sfnom 5» Hann skal l/sa at lögbergi, at hann hefir logsknld läget a hann, enda & hann kost alengr at verja lyriti innehöfn hans, ok sva at ]>iggja verk at hanom. Ebenso Oma gab., cap. 1, S. 282-— 4, wo aber vor den Worten „skalat hann meire skuld eiga^S eingeschoben ist: „Skalat hann meiri skuld eiga, enn hann leggr fyrir ]>aa ävaxtalanst, ]^tt sa leggi meira fe fyrir (au, ok^'; femer nach den Worten : „ef hann vill eigi ganga i sknldina", „vid" Ntnn mann er framförir fod'or hans ok mod'or ok börn".
83) Kgsbk; §. 128, S. 4—5: Mad'r a kost hv^t sem hann vill
8*
36 SiUung der phüo8.^hüol. OUaee vom 3. Januar 1874.
eigenthfimUGhe Anwendung jenes ersteren Satzes, wenn an- derwärts ausgesprochen wird, dass der Patron eines yer- armten Freigelassenen, welcher wegen Unvermögendheit der Kinder dieses letzteren dessen Verpflegung zu übememen hat, berechtigt sein solle, diese Kinder für den zu machenden Aufwand in Schuld zu nemen^^), natürlich auch wider mit der Einschränkung, dass die Kinder in keinem Falle für einen höheren Betrag verhaftet werden dürfen als welchen ihr Werth erreichen würde, wenn sie unfreien Standes wären.**) Da nämlich nach der oben ausgesprochenen Regel der nächste Verwandte, der wegen Armut der Kinder ihre Aeltern ali- mentiren muss, berechtigt erscheint, für den Betrag der Ver- pflegungskosten die Kinder in Schuld zu nemen, so ist es nur conseguent, wenn das gleiche Recht für den analogen Fall auch dem Freilasser eingeräumt wird. Ich kann übrigens die von Vilhjalmr Finsen aufgestellte Behauptung**), dass die den Aeltern auferlegte Verpflichtung, für ihre bedürftigen Kinder in Schuld zugehen, falls sie nicht vorziehen diese ihrer- seits in Schuld zu geben, erst späteren Rechtens sei, keineswegs begründet finden« Dass eine oben bereits mitgetheilte Stelle nur
at ging» i sknld fyrir bom sfn, e^% se^a Hu i skuld ella; sit bam skal hyerr mad'r firam foera 4 lande h^r; Omagab. , oap. 1, S. 234 und nochmals cap. 27, S. 283, ganz gleichlautend.
84} Egsbk, §.134, 8.17: {>e88 ä hann kost ef leysf ngrinn komr & hendr honom, at taka bornen 1 skuld, hvart sem hann tüI fieire edTa ffere, ef til ero, 4 (eim 12 manod'om er leysinginn kömr a hendr honom; Omagab., cap. 11, S. 266—66: {»ess & hann kost ef lejsfnginn kömr 4 hendr h4nom, at taka bomin i jammikla sknld, sem hann leggr fyrir omagan hvart sem hann vill fleiri ed'r forri, ef til ero, A (eim 12 mana^Tum skal iat göra, er leysinginn kömr a hendr hanom.
86) Omagab., cap. 30, 8. 292: A )>eim 12 m4nad'om skal hann gera, er leysinginn kömr 4 hendr h4nom, jammikla skuld, sem hann leggr fyrir ömagan. Eigi skolo IfBu mein skuld eiga, enn teu veri verd*, ef >au veri nand'ig (leg. 4naudrig), lott hann leggi meira fd fyrir omagan.
86) Annaler for nordisk Oldkyndighed, 1860, S. 132—33.
Mawrer: Sckuldknechischaft nach cMnaräischem Bechte. 87
nach dem Texte der StaSarholsbok, nicht anch der Eonungsbök jener Verpflichtung der Aeltem Erwähnong that,^^) ist völlig irrelevant, da jene Stelle ihrem ganzen Zusammenhange nach eben nur von der Verpflichtung der Kinder zur Alimentati(Jh der Aeltem zu handeln hatte, sodass jene Einschaltung in der StaSarhöIsbök geradezu störend wirkt, und wenn ein paar andere Stellen die den Aeltem obliegende Alimentations- pflicht erörtern, ohne dabei der Schuldknechtschaft zu er- wähnen"®), so ist auch daraus kein Schluss zu ziehen, da dieselben eben nur die Vertheilung der Last zwischen Vaters- seite und Muttersseite besprechen, wobei die andere Frage denn doch ganz wohl unberührt bleiben konnte, wieweit die Aeltem den hinter ihnen berufenen Verwandten für die um ihrer eigenen Vermögenslosigkdt willen ihnen erwachsenen Verpflegungskosten persönlich verhaftet seien oder nicht. Endlich ist zwar allerdings richtig, dass das Heidenthum die Aussetzung der Kinder gestattete ; aber richtig auch, dass es dieselbe nur unmittelbar nach der Geburt gestattete, ehe das Kind noch die Wasserweihe erhalten hatte® ^), und dass so- mit auch vor der Zeit, da zufolge kirchlicher Einflüsse die Kindsaussetzung gänzlich verboten wurde, bereits recht wohl eine Alimentationspflicht der Aeltem ihren Kindern gegen- über in Frage kommen konnte. — Widern m kann ein Weib, welches sich eines ausserehelichen Beilagers schuldig gemacht hat, und von welchem der Klagsberechtigte in Folge dessen eine Busse zu erheben hat, von diesem für deren Betrag in Schuld genommen werden, falls es nicht im Stande ist den-
87) Tgl. dmagab., cap. 1, S. 283, mit Kgsbk, §. 128, S. 4; siehe oben, S. 85, Amn. 82.
88) dmagab., cap. 8, S. 236--41; Fe8ta]>., cap. 28, S. 386—7; vgl. Kgebk, S. 128, S. 6-6, and §. 154, 8. 46.
89) Hölmverja s«, cap. 8, S. 22: I>viat Ht var mord* kallat, at drepa bom fra >vi er ^n vorn vatni ansin.
38 SiUung der phüo8.-phüol. Classe wm 3. Januar 1874.
selben sofort zu erlegen ^^); nur mass diess gleich bei der Klage, dem Vergleiche, oder dem Ezecutionsgerichte geschehen. Auch soll derjenige, welcher für einen Anderen die Busse zu zahlen übernimmt, welche dieser auf Grund eines Ver- gleiches wegen eines Fleischesverbrechens zu entrichten hat, den Bussfalligen für deren Betrag in Schuld nemen, voraus- gesetzt nur, dass dieser Betrag nicht höher sich belaufe als der Werth, welchen der Schuldige hätte , wenn er ein Un- freier wäre^^); ja es ist sogar Pflicht des Uebememers der Zahlung, gegen den Schuldigen in dieser Weise vorzugehen, und ihm den Ersatz der Busse nicht zu erlassen, ehe er mindestens die Hälfte derselben abverdient hat, und wird nur zu Gunsten der Aeltem und Geschwister des Schuldigen von dieser Regel insoweit eine Ausname gemacht, als diesen
90) Kgsbk, §. 168, S. 58: Ef kona legz medr manne, H & aärile sakar at täka af henne, ef hann vill, 8 aora ens fimta tigar, ef hon a ie til. Nu 4 hon eigi fe til, V& skal hann leggja a hana skuld, ok segja til at s&tt, ed^a at feränsdomi; Festa (., cap. 86, S. 851; ferner cap. 48, S. 868—4: ])e8s & mad'r ok kost, b& er adTili er legord^ssakar, l>ar er kona hefir barn alit laungetit, at heimta at henni 6 merkor, ef hon a fh til, ed'a skuldfesta hana ella l>eim 6 mörkom, f»at skal hann msela at heimili kononnar. An der ersteren Stelle liest die St. statt: at satt, „at sokn".
91) Festa I»., cap. 47, S. 362-— 8: Ef annarr mad'r handsalar satt fyrir mann nm legordTssök, ok skal hann skuldfesta hinn l>vi fe, ok gefa hanom eigi (at f^, äd'r hann hefir nnnit h41ft af ser ed'r meira, nema fad'ir ed'r mo^ir edTr bröd'ir ed'r systkin hans nokkot leysi hann nndan; Ha eigo at gefa hanom l>at fe, er >aa vilja. En ef annarr mad'r leysir hinn nndan, ok skal sa skuldfesta hinn öllo >vi fe er hann geldr fyrir hinn, nema haun gjaldi meira enn s4 veri verd'r, ef hann veri Israeli, ok skal hann eigi meira f^ skuldfesta, enn hans verd* veri, ef hann veri i dnaud". Ferner cap. 48, S. 863: ^'ar er mad'r tekr mann i skuld, (a skal hann segja til heimilis büom 5 med> vatta, >eim er hänom b6a nsestir, til skuldfesti hans, ok sva at lögbergi et nnsta sumar eptir, enda m4 hann H veija lyriti innihöfn hans ef hann vill. f»a vard^ar skoggang öUom öd'rom mönnom, ef hann hafa inni pk Mggja verk at hanom, ok er Ht fimtardöms sök.
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Maurer: SchuläkneehUehaft nach älincrdischem Beehte, 39
yerstattet wird, ihm den Betrag seinem vollen Umfange nach ZQ schenken. Auch in diesem Falle ist übrigens der Ver- hangong der Schuldhaft volle Puhlicitadt zu geben.
Blan sieht, in allen diesen Fällen wird dem Gläubiger das Recht zugesprochen, seinen Schuldner einseitig in die Schuldhaft zu nemen, sei es nun ohne Weiters, oder doch wenigstens für den Fall, da sich derselbe nicht von freien Stücken zum Eintritte in dieselbe erbietet; in einem Falle wird überdiess den Aeltem gestattet, ihre Kinder einem Andern anstatt ihrer in Schuldhaft zu geben. Ob aber das Letztere den Aeltem in allen Fällen erlaubt war, in welchen sie sich nur durch die Hingabe ihrer Kinder von der eigenen Schuldhaft befreien konnten, oder nicht, — ob man femer jeden Schuldner, dessen Zahlpflicht gehörig feststand, in allen and jeden Fällen als Schuldknecht in Ansprach nemen konnte, wenn dieselbe von ihm nicht erfüllt werden wollte oder konntci oder ob nicht etwa abgesehen von jenen ausdrücklich vor- gesehenen Fällen ein besonderer Vertrag nothwendig war, am die Schuldknechtsdiaft zu begründen, das ist ein Punkt, über welchen uns die Quellen ohne Aufschluss lassen. Die häufige Erwähnung der Schuldknechte in denselben lässt darauf schliessen, dass wenigstens eine vertragsweise Ergebung iu die Haft oft genug vorkommen musste, wenn dieselbe auch in den Rechtsbüchem nicht erwähnt wird; das Schweigen dieser Bechtsbücher über deren Verwendung als regelmässiges Executionsmittel, während sie doch das Verfahren bei der Execution so sorgfältig und detaillirt besprechen, scheint andererseits darauf schliessen zu lassen, dass ein derartiger Gebrauch des Institutes nicht vorgesehen war. Aber freilich, wie im norwegischen Rechte das dem Gläubiger für den aüssersten Fall eingeräumte Recht, den insolventen Schuldner an seinem Leibe zu verstümmeln, indirect dahin wirken musste, dass dieser gutwillig der Schuldknechtschaft sich unterwarf, so musste auch auf Island die Acht ebendieselbe
40 Sitzung der philos.-philol Classe vom 3. Janaar 1874.
Wirkung aüsBeru, welche hier den SchluBEstein des ganzen ExecutioDSTerfahrena bildete, und thatGächlicb mrd hiernach hier wie dort die Sache allerdiuga so gestanden haben, dass der Gläubiger, dessen Schuldner nicht zahlen konnte, und für welchen auch seine Verwandten die Zahlung nicht auf- bringen wollten oder konnten, sich an dessen Person halten mochte.
In den sämmtlichen oben aufgezahlten, und wohl auch in allen anderen Fällen, in welchen eine Schul dknechtschaft rechtmässig begründet werden wollte, war aber das ein- zuhaltende Verfahren folgendes. Gleichviel, ob der Schuldner verpflichtet war, sich von freien Stücken zum Eintritte in die Schuldknechtschaft zu erbieten (bjüSa at gänga i skuld; kürzer: gunga i shuld) oder nicht, so ist es der Gläubiger, welcher denselben in Schuld zu nemen hat (taka i skuld; leggja skuld, logskuld, a mann; ekuldfesta), und nicht anders wird es auch in dem Falle gehalten worden Ecin, da Aeltern ihre Kinder in Schuld zu geben (seija i akuld) hatten. Mag eeiu, dass dabei eine gewisse symbolische Handlung vorgenommen wurde, eine Ergreifung etwa mit der Hand; schlechthin nothwendig kann diese inzwischen nicht gewesen sein , da der Gläubiger über den Schuldner, der sich ihm durch die Flucht zu entziehen suchte, die Schuldhaft auch in seiner Abwesenheit verhängen konnte, falls diesB nur an seinem, des Schuldners, legalem Domicile geschah. Unerlässlich war dagegen eine üfTentliche Bekannt- machung der Verhängung der Schuldhaft (segja til sknldfe^tis), und zwar hatte diese zunächst vor den 5 nächsten Nachbarn des Gläubigers zu geschehen, und sodann am nächstfolgenden Alldinge vom Lögberge aus widerholt zu werden; mit dieser Bekanntmachung pflegte, wie es scheint, zugleich ein form- liebes Verbot gegen jede Aufname oder dienstliche Verwendung des Schuldknechtes durch andere Personen verbunden zu werden (verja lyriti innihöfn hans), welches zur Folge hatte,
J
MoMirtf: SMldkneehUehaft nach ältnordisehem BecKte. 41
dtfis jeder Zuwiderhandelnde der strengen Acht verfiel, und Tor das fünfte Gericht gestellt werden konnte*'). In ein- zelnen Fällen ist eine bestimmte Zeitgrenze gesetzt, innerhalb deren die Schaldhaft verhängt werden muss, wenn der Gläubiger sein Recht, sie zu verhäogen, nicht einbüssen will*^), oder es mnss, wo die Schuld auf einem Vergleiche oder ürtheilsspruche beruht, die Absicht wegen ihrer zur Schuld- haft zu greifen gleich bei der Klage, bei dem Vergleiche, oder längstens beim Executionsgerichte ausgesprochen wer- den*^); generalisiren darf man aber derartige Bestimmungen ebensowenig als die andere, für einen ganz vereinzelten Fall gegebene Vorschrift, dass die Verhängung der Schuldhaft nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht des Gläubigers sei, von deren Erfüllung derselbe nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen Umgang nemen dürfe *^). Dagegen wird als allgemeine Regel der Satz gelten müssen, dass Niemand für einen höheren Betrag in Schuldhaft genommen werden dfirfe^ als welchen er wirklich schuldig geworden war*^), und dass überdiess Niemand für einen höheren Betrag ver- haftet werden dürfe, als welcher dem Werthe entspricht, den er haben würde, wenn er statt frei unfrei wäre; letzteres ein Satz, welcher um so mehr als allgemein gültig und wurzelhaft betrachtet werden darf, als auch das norwegische Recht, wie es uns vorliegt, noch Anklänge an denselben er- halten zeigt. Als allgemein gültig scheint endlich auch noch
92) Kgsbk, §. 44, S. 78; Njäla, cap. 98, S. 150, Anm.d. Vgl. Festa (., cap. 48, S. 868, oben S. 38, Anm. 91. Im Uebrigen sei ein für allemal auf die oben schon mitgetheilten Stellen verwiesen.
98) Egebk, §. 184, S. 17; oben S. 86, Anm. 84.
94) ebenda, §. 168, S. 58; oben S. 88, Anm. 90.
95) Festa l., cap. 47, S. 862; oben S. 88, Anm. 91.
96) In Omagab., cap. 1, S. 238, wird überdiess ansgesprochen, dasB nur der Capitalwerth der Schuld, nicht auch irgendwelche Yer- zinsnog, dabei in Betracht komme, — ein Aassprach dessen allge- ineine Anwendbarkeit wohl bezweifelt werden darf.
42 Sitamg äer fUtot.'phiUi Cta»»e von 3. Jamutr i874.
die BestimmODg angesehen werden za dörfeD , dasa ein Gläubiger, welcher an den Scbnldknecht eines Ändern eine Fordi^ruDg bat, wegen deren er an nnd für sich befagt wäre seiDou Scha]dner in Scfauldhaft za nemen, berechtigt sein soll hinsichtlich sdner das Einstandsrecbt za üben, d. b. ihn aus seiner bisherigen Scbuldhaft aaszalösen, and dafür zu seinem eigenen Sobuldknecbte za machen"^).
Was nun den Zustand desScbsldknecbtes während der Zeit betrifft, während deroi er in der Scholdhaft begriffen ist (oieÖan bann et i skuldiuni), so ist einerseits klar, dass derselbe nicht mit dem des Unfreien zuBammeonillt, da ja widerboU von dem Werthe gesprochen wird, den er hatte, wenn er ein Unfreier wäre, and da ihm überdiees die Ver- setzung in die Sklaverei anter Umständen ansdrücklioh als Strafe angedroht werden kann**); andererseits ist aber aach nicht mioder klar, dass sein Verhältniss zu demjenigen, der ihn iu der Scbald hält (er bann befir i skoldinni), ziemlich dem des Unfreien za seinem Herrn änlidi ist. Was ein Scbuldknecht an jagdbaren Thieren erbeutet, das gehört seinem Herrn ganz in derselben Weise wie die Jagdbeute, welche der Unfreie macht"). Für die Arbeit an Tagen, an
07) Kgibk, §. 186, S. 4: Ef bann er i iknld tekinn äffr, ok l'ykhe T'cim manne betra at bafa hum. enn ei^ 1 iknldiiine, er IieGr fram at förs aonat tveggja toHor hiDi eH^ tn&tror, >ä ikal hton tut at bjüA'a fyrir bann jafn mikit fe aem bann er ikyldfaatr, ok (kal hAtiT) H 6r leytaak ittStm ör iknltlinne, en bann g&nga hinnveg I skuldena fyrir fod'or linn efa m6itoT lina; Omagab., oap.l,ä39S<
96) Feit» i., cap. 48, 3. 363: Nu getr bann lannbarn Eurnat med'an bann er i skuldinni, ok verd'r bann H fnell hing, er ßit att' at biinotn, av& aem haon veri ambättar sonr. Ea b& er ßit galt fyrir bann, skal varä^eita barn bans, ok ala npp i innat. En ef lianüaBlsma^r görir eigi bt&, >& yeriti hann lekr nm ^t 6 merkor, ok k ea eök er fill, ok ikal itefua beiman, ok kve^'ja til 6 heimilii- büa ä tingi (eia er aöttr er.
99) Kgibk, §■ 14, S. 31: i i& bjom er fyntr kemr i baoMiri,
Mamer: Schuldknechtsehaft nach altnordischem Sechie, 43
welchen als an Feiertagen das Arbeiten strafbar ist, werden Schnldknechte ebensowohl wie Unfreie nur unter der Voraus- setzung in Strafe genommen, dass sie „at sinn rä&i^S d. h« Didit auf Geheiss ihres Herrn arbeiten '^^) ; sind aber freie Dienstboten zugleich mit den Unfreien oder Schuldknechten an der Arbeit, so sollen zunächst nur jene ersteren für diese haftbar gemacht werden, und sie allein werden als frelsingjar, d.h. freie Leute bezeichnete®^). Tödtet ein Schuldknecht seinen Glaubiger oder dessen Frau, so wird er auf dieselbe grau- same Weise ums Leben gebracht, wie ein Unfreier, welcher seinen Herrn umgebracht hat^®'). Endlich ist auch das Ver- fahren gegen Schuldknechte, welche sich ihrem Dienste durch die Fludit zu entziehen suchen, vollkommen in derselben Weise geordnet, wie das Verfahren, welches flüchtigen Sklaven gegenüber eingeschlagen wird e®'). Dieser eigenthttmlichen
iiTergi er laad a, nema ^rslar veid*! ed'a skaldarmenn; (a ä sa er fe atti at ^im mönnum; ErB. hinn gamli, oap. 23, S. 110 — 12.
100) ErB. hinn gamli, cap. 17, S. 90: Ef l^reelar manns ed'r skaldarmenn vinna a eykd' at sine rad'i, ok verd'a )>eir ütlagir um Hi Qomm anrom, ef leir eigo s^r orkoeto. Vgl. auch die in der nächsten Anmerkung angeführte Stelle.
101) Egsbk, §. 9, S. 26: Ef grid'menn hafa i verki verit, ok skaldarmenn ed'a (reelar, ok a frelsinga fyrst at saekja. Ef (eir hafa unnit a eykt, ok verd^a ]>eir sottir um, ok verjaz )>eir mali, ef l>eir geta Hnn kvid^, at eigi ssei söl, ok $eir myndi skemr vinna, ef söl ssei; (at er ok bjargkvid'r, ef ]>at berr, at atfsersla l>eirra veri svä litil, at )>eir ]>erd'i eigi heim at ganga fyrir ofriki büandans, ok verd'r bäandi >ar ütlagr, enn eigi ])eir; ErB., cap. 18, S. 92—4.
102) Egsbk, §. HO, S. 189: Sy4 et sama skal fara um skuld- annenn >a er at lögom ero i skuld teknir ok er sagt til at lögbergi ; Vi gs 16*1, cap. 111, S. 162.
103) vgl. Egsbk,' §. 44, S. 78: um innihafnir skuldarmanna ok am (rsela I>eirra er til skuldfestis er sagt her a aKingi, ok svä (at,
er menn (iggja verk at (eim monnom. Die Worte: (eirra a
alKngi, sind entweder als eine Bandglosse zu: skuldarmanna aufzu- fassen, oder doch jedenfalls als versetzt zu betrachten. Ferner Njäla, ang. 0.: ok innihafnir (rsela ed'a skyldarmanna«
44 SiUung der philo8,'pkiM. Glosse wm 3. Januar 1674.
MittelstelluDg, welche die Sohaldknechte zwischen den freien und anfreien Lenten einnemen, entspricht denn auch, dass dieselben auch ihrer sonstigen Freiheitsrechte nicht vollständig beraubt sind, andercntheils aber auch nicht in deren Töllig ungeschmälertem Besitze sich befinden. So ist der Schuld- knecht des Erbrechtes fähig, und er wird gelegentlich auch wohl ausdrücklich als Erbe bezeichnet ^^^); aber er erbt, so- lange er sich in der Schuldhaft befindet, nur die Fahrhabe, nicht aber liegende Güter '^^), doch wohl, weil das von ihm Geerbte seinem Herren zu Gute kommt, und Liegenschafiten soweit möglich der Familie nicht abhanden kommen sollen. Ist ein Schuldknecht zur Blutklage um einen erschlagenen Verwandten berufen, so kann er diese zwar nicht selber an- stellen, aber er erhält doch von der Todtschlagsbusse soviel als die Schuld beträgt, für welche er verhaftet ist^^^), voraus- gesetzt natürlich, dass der an und für sich ihm gebührende Betrag diese Summe überhaupt erreicht. Wird umgekehrt ein Schuldknecht erschlagen, so steht die Blutklage zwar seinen Verwandten zu wie gewöhnlich, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass sie zuvor dem Gläubiger den Betrag seiner Schuld ausbezahlen; thun sie diess nichts so geht die Berechtigung zur Anstellung der Blutklage auf den Gläubiger selbst über'^^). In änlicher Weise soll die Klage wegen
104) vgU nnten, Anm, 106.
105) Egsbk, §. 118, S. 225: f»at er, at lögskoldarmad'r 84 er i lögskttld er tekinn, er arfi ens frid'a, enn eigi ens ofrid^a. Nu er bann 6r skuldinne, ok er bann }ä hvarstveggia arfi; Arfa >., cap. 17, S. 221.
106) Egsbk, §. 96, S. 171: f»at er melt, at hvar (ess er lög- skaldarmad'r er arftökomad'r ens vegna, ok skalat hann med* sökfara; enn hann a 8t4 mikit fe af bötom, sem hann er skoldfaBtr; Vig- slod'i, cap. 86, 8. 69—70.
107) KgBbk, §.96, S. 171—2: E£ lögsknldarmad-r ver^r veginn, (a eigo fröndr sök >a. |>eir skolo bjod'a I>eim manne, er f& bafSre att at bonom, jafn mikit f^ sem bann veeri skuldftistr; enn ef ^ir
Monrtr: Sd^vUdlmeehtBchafi nach dUnmUsdiem Seehte. 46
aasserehelichen Beischlafes, welche sonst dem Geschlechts- Yormande des verletzten Weibes zusteht, von ihrem Gläubiger erhoben werden, wenn dieselbe in Scbuldknechtschaft begri£fen ist; dabei ist aber audi noch der weitere Umstand bemer- kenswerth, dass die Klage bei der skuldarkona nicht wie bei dem Tollfreien, unbescholtenen Weibe auf die strenge Acht und eine Busse um 6 Mark, und andererseits auch nicht wie bei der SUayinn nur auf die halbe Busse mit 3 Mark geht, sondern wie bei der Freigelassenen auf Landesyerweisung und die halbe Busse, und nur dann auf die strenge Acht, wenn diese oder jene einen Sohn freien Standes hat^^^).
So darf man denn den Schuldknecht als einen in seinen Freiheitsrechten theils suspendirten , theils aber auch redu- cirteu Menschen betrachten. Für einen Theil der Beschränk- UDgen, welche ihm auferlegt wurden, war wie es scheint ein Gedanke massgebend, dessen Durchführung ebensogut im Interesse seiner selbst als im Interesse seines Gläubigers ge- legen war, der Gedanke nämlich, dass alle Vermögensbeträge, welche ihm kraft Erbrechts oder kraft eines anderen ver- wandtschaftlichen Titels zufallen würden, am Zweckmässigsten
bjo^a eigi, li a sökna sa er föet atte at enom yegna; Yigslod'i) cap. 36, S. 70, mit einigen, hier irreleyanten, Zusätzen«
108) Egsbk, §. 156, S. 48: £f legit er med" lögskuldarkono, K a sa sökina, er feit a at henne, enn Qorbaagsgard* var^Tar. Ef legit er med* amb&tt, >a sekz mad'r 8 morkom am ]^at, ok skal kredja til 6 heimilisbüa ä Mngi >e88 er sottr er. Ef mad'r liggr metf leysfngs kono, K Tard^ar fjorbangsgard*, nema barnino vseri frelsi gefit, ed'a 8Ta ef hon a son fi^jalsan; (ä vard'ar skoggäng, ok skal (ä kved'ja büa heiman til 9, enda ero slik mal um lögskuldar konona, ef hon a sonin; Festa I>., cap. 25, S. 339—40, wo nach den Worten: „enn fjorbaagsgardr vard'ar^^ eingeschaltet wird: „ok balfr rettr, skalkvedja a ])ingi 9 büa ted'an sem am önnor legord^, nema sa eigi vfgt um; H vard'ar skoggäng. Wegen des vollfreien Weibes vgl. Egsbk, §. 156, S. 47—8, und Festa V, cap. 24, S. 838—9, sowie die Klags- formel in cap. 49, 8. 369—70, und öfter. Ygl. übrigens auch die Belgsdalsbok, §. 50, S. 241-2, und §. 51, S. 242.
46 SiUwng der phOas.'phiM. Ciasee vom 3. Januar 1874.
statt seiner an seinen Gläubiger giengen, um die Sobald, für weldie er diesem verbaftet war, zu tilgen oder docb zu yermindern; denn an eine Abrecbnung auf den Scbuldbetrag wird in derartigen Fällen denn docb wobl gedacbt werden müssen, obwobl in den Quellen dieser Gesicbtspunkt aller- dings nicbt ausdrücklieb bervorgeboben wird. Ausserdem wird an einer Stelle von einem Abverdienen der Scbuld durcb die Arbeit des Scbuldknecbtes gesprocben*®^), und aucb eine gescbicbtlicbe Quelle erzäblt, wie Björn Eoreksson von As- björn Vegbamar, seinem früberen Dienstmanne, nacbdem derselbe sieb selbstständig nidergelassen , aber sofort eine Menge von Schulden sieb zugezogen batte, verlangt dass er wider zu ibm zurUckkebre, und seine Schulden abverdiene ^ ^^) ; da aucb anderwärts in unseren Recbtsbücbern von einer Abscbätzang des Wertbes der von Dienstleuten geleisteten oder zu leistenden Arbeit die Rede ist, und überdiess die gesetzlichen Bestim- mungen über den Betrag des Lohnes, welchen freie Dienst- boten sich ausbedingen durften, in dieser Hinsicht einen festen Anhaltspunkt gewährten, konnte eine derartige Ab- rechnung der Arbeit des Schuldknechtes auf seine Scbuld keine besondere Schwierigkeit bieten. Ausserdem war selbst- verständlich aucb die Möglichkeit vorbanden, dass ein Dritter sich bewogen fühlte durcb Berichtigung des Schuldbetrages den Schuldknecht aus der Scbuldhaft auszulösen (leysa 6r skuldinni; leysa undan)^^^); war diess freilich ein Gläubiger, welcher nur von seinem Einstandsrechte Gebrauch machen wollte, so wurde der Scbuldknecht durch die Auslösung
109) Festa L, cap« 47, S. 862: äd'r hann hefir nnnit halft af 8er ed'a meira; siehe oben, S. 88, Anm. 91.
110) Gannars >. l>id'randabana, S. 866: ok vil ek lü farir aptr til vor, ok vinnir af ])^r skoldina.
111) Egsbk, §. 128, S. 4; cfmagab., cap. 1, S. 283; dann Festa ]>., cap. 47, S. 862; siehe oben, S. 42, Anm. 97, und S. 86, Anm« 91.
Mawreri Schuldkneehisehaft nach älinaräisehem Beehte. 47
nicht frei, sondern nur in die Schuldhaft eines anderen Herrn gebradit, wogegen ihm die Aaslösung in dem anderen Falle sofortige Freiheit bringen musste, da sie aus Wohl- wollen für seine Person erfolgte. Eine Beschränkung dieses Anslosangsrechtes , wie solche demjenigen gegenüber vor- kommt, welcher wegen einer von ihm verwirkten Unzuchts- busse der Schuldknechtschaft verfallen war, darf natürlich ebensowenig generalisirt werden wie der mit ihr aufs 6e- naneste zusammenhängende Satz, dass solche Leute von demjenigen in Schuldhaft genommen werden mussten, welcher für sie die Busse erlegte^'*). Dasselbe gilt endlich auch von einer anderen Vorschrift, nach welcher der Schuld- knechty welcher einer Unzuchtsbusse wegen in die Schuldhaft gekommen ist, und nun während ihrer Dauer ein weiteres uneheliches Kind erzeugt, sammt diesem Kinde der Sklaverei verfallt, me wenn er als Sklave geboren wäre, wobei eben- falls wider dem Gläubiger bei strenger Strafe untersagt ist, von der Härte des Gesetzes irgend Etwas nachzulassen^^'). Allen diesen Bestimmungen liegt augenscheinlich eine ganz besondere Strenge gegen die Unznchtsvergehen zu Grunde, keineswegs aber die allgemeine BeschafiPenheit der Schuld- knechtschaft als solcher; sie alle sind überdiess nur in un- serem jüngeren Rechtsbuche zu finden, und mögen somit erst späterer Entstehung sein, obwohl sie allerdings als nfmseli nicht bezeichnet werden.
112) vfcl. oben, S. 88, Anm. 91.
118) Festa (., cap. 48, S. 868; oben, S. 42, Anm. 98.
Sitinng Tom 3. Jann» 1874.
HistoriBche Glaase.
Herr Friedrich trägt vor: „Der Jesuit P. Keller als der wahre Ver- fasser der unter dem Namen Herwärts ir,l8in MÜDchea erschienenen Schrift: I.iidovicua IV. Imperator defensos."
In raoincm Vortrage: üeber die GeBchichtschreibang unter Kurfürst Maximilian I. *) schrieb ich, da ich keine positiven Anhaltsponkte für eine gegentheilige Ansicht finden konoto , dii; Schrift Lodovicua defensuB dem baieriBchen Kanzler Ilerw.irt von Hohenbnrg zu, wie es ein Decret des Kurfürsten, dor Titel nnd die Vorrede beeagten, obwohl mir selbst schon einige Bedenken gegen dessen Autorschaft vor- schwebten. Jüngst gelang es mir nun, in P. Keller, Kector des MüQchcnor Jesaiteocollegcs , den wahren Verfasser des liuches imclizuweisen , nnd ich will es nicht versäumen, meinen früheren Vortrag in diesem Punkte nachträglich zu verbessern.
Bei einem Kaufgeschäfte kam sndi ein Exemplar der angeblichen Ilerwart'schen Schrift aus der in der kgl. Hof*
1) Vortrag in der öffentl. Sitiong der k. Äkad. der Wiaa. am 27. Märi; 1872.
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Frieärkh: Der Jemit P. KOer. 49
bibliothek befiodlichen Bibliothek des Historikers von Oefele in die Hände des verehrten Mitgliedes unserer Classe, des Herrn Oberbibliothekars Föringer. Beim Durchblättern des- selb^ entdeckte dieser von der Hand Oefele's selbst eine Bemerkung, worin dieser angibt, dass am 18. März 1758 der damalige Rector des hiesigen Jesuitencollegs, P. Leder- haeber, zu ihm auf die kurf. Bibliothek gekommen sei und ihm mitgetheilt habe, dass er unanfechtbare Beweise habe, dass der wahre Verfasser des unter Herwarte Namen be- kannten Buches P. Jacob Keller, der damalige Rector des Collegs in München, sei '). Die Bemerkung erschien wichtig genug, um das Exemplar nicht zu veräussern, und der Herr Oberbibliothekar hatte die Oiite, mir nicht blos darüber Mittheilung zu machen, sondern auch das Exemplar zur Ein- sicht zu überlassen, nachdem ich noch andere Randbemerk- ungen Oefele's gefiinden hatte.
Nähere Anhaltspunkte scheint P. Lederhueber nicht an- gegeben zu haben, weil Oefele nicht nur nichts bemerkt, sondern, wenn seine Randbemerkungen jünger sind, nur aus einzelnen Stellen nachzuweisen sucht, dass dieselben nur von einem Jesuiten, nicht von Herwart stammen können. Der vollständige Aufschluss wurde ihm auch erst später und durch Lori. Nach der Vorrede des 1. Theils des Buches fand ich nämlich einen anderen Eintrag von der Hand Oefele's, worin er angibt: Am 20. April 1759 sei seine frühere Ver- muthung, dass Herwart nicht der Verfasser des Ludovicus defensus sei, zur Qewissheit geworden. An diesem Tage
2) Auf der leeren Seite des letzten Blattes des 1. Theils des Baches: A. 1758. 18. Martii P. Lederhueber S. J. Coli. Monacensis Praefectna non indiligens mihi A. F. Oefelio in Bibliotheca aulica a me ezeeptus coram narravit atque asseveravit, sihi argumenta suppe- tere indubitata, quibus conficeret Huius Herwarti nomine Notae Apologiae Ludovicianae verum autorem esse Jacobum Kellerum Rectorem Coli, monacensis. [1874, 1. PhiL hist CL] 4
50 Sibnmg der hMor. Clan» wa 3. Januar 1B71.
habe ihm nämtich Lori im Maximilianisclieii Archive das Autograph eines Briefes von General P. Goawin Nickel an ?. Georg Spaiser, Bector des Münchener Collegs, gezengt, worin er ihm aurträgt, die Eorfüretia-Wittwe Mariimne za überreden, der baieriBchen Geschichte des P. Vervaux den Namen eines ihrer Staatsbeamten vorsetzen za lasaeo, fUmit am so sicherer der wahre Verfasser rerborgen bleibe, wie ea auch geschehen sei, als dem Georg Herwart befohlen wurde, seinen Namen für den Lndoncus defensns des P. Jacob Keller herzugeben ■).
Damit steht allerdings die Thatsache fest, dass P. Keller der vahre Verfasser des Ludovicus defensna ist Ob aber über die Titelfrage eben&Ils wie binsicfatlich der baierischen Geschichte der PF. Brnnner und Vervaux lange ünterhand- luQgen mit dem Jesuitengeneral gepflogen wurden und auf dcäsda Andringen Herwart als Verfasser fignriren mosste, ist nicht klar. Ich glaube aber, dass dieses wirklich nur auf Befehl Maximilians und wahrscheinlich auf den Rath Kellers geschehen sei. Aas den Briefen Kellers nnd Rescripteo Maximilians*) scheint mir berrorzugeheo , dass F. Keller erst im Jahre 1618 den Befehl zur Arbeit erhielt, und das fej'tige Mannscript für einen Druckbogen sofort in die Presse ging, so dass also zn langen Verhandlungen mit Rom keine
3) Qnod pridem sospioatiu faertm, Herwartnm hama libfi Anc- torem non esae, h»o XX, ApriL HDCCLXIX, certo didioi. ExUbnit enim mihi 111. Lorini in Arohivo MsLcimilianeo Epiitolam ADtographan P. GoBnini Nickel Fnepotiti OeneraÜB Soo. Jmo ad F. Oeorgiam SpaieerRectorem oollegii MonKoeiiBis, in qnaeidem imponitclittalluo, iit MuriM Annu Electrici TidaKS penuaderet, sineret P. Joannii VcrvMax HiatonM Boiofte, nomen alicnina ex Adminiitris Stftta* mii in fronte prseflgere, qao tntiu lataret venu aaotor, quemad- modtuD faotam tatet, quam D. Qeorgius Herwartns jusini fuisiet nomen annm praebere F. Jaoobi KelleriLndo- vico defanio. And. Felis Oefelin».
4} Cod. bBT. 2310.
Friedrieh: Der Jesuit P. KeUer, 51
Zeit war. Offenbar sollte durch die grösstmögliche Sorgfalt der Verdacht namöglich gemacht werden, dass die Arbeit Ton einem Jesuiten stamme.
Das Geheimniss, dass P. Keller an einer Widerlegung des Bzoyius arbeite, wurde aufs strengste gewahrt: weder Maximilian in seinen vielen Rescripten an Gewold, noch Keller in seinen Briefen an denselben, der nicht blos selbst an einer Vertheidigung Ludwigs arbeitete, sondern dieselbe Bogen für Bogen an den Jesuiten zur Censur oder richtiger zur Correctur, einsenden musste, verrathen davon eine Silbe. Gewold ist überhaupt von Keller nur als brauchbarer Hand- langer für Beschaffung des archivalischen und historischen Materials benätzt worden. Das ging doch so weit, dass der Jesuit, um wahrscheinlich nicht als Verfasser entdeckt zu werden, nicht einmal das herzogliche Archiv benützte, sondern Gewold auf herzoglichen Befehl umgehend eine Ab- schrift von seiner in seinem Werke benützten Abschrift eines Dokuments an Keller schicken musste. Dieser lässt Gewold bebiändig in dem Glauben, dass neben ihm kein anderer den nämlichen Gegenstand bearbeite und seine Arbeit schliess- lich veröffentlicht werden solle; er überhäuft ihn mit Lob, schickt ihm Censuren, welche er nur aus Liebe zu Gewold mache, lässt sich gelegentlich auch auf eine den Gegenstand betreffende Controverse mit ihm ein und bewegt ihn sogar, sein Buch nicht anonym, sondern mit seinem Namen er- scheinen zu lassen. Der schlaue Jesuit hatte inzwischen das grosse Interesse, das Maximilian an dem Gegenstand hatte, kennen gelernt und machte sich mit Hülfe des Gewoldischen Werkes — ich werde dies später zeigen — selbst an die Arbeit : einen solchen Dienst dem erzürnten Fürsten zu leisten, durfte sicli die Gesellschaft Jesu die Gelegenheit nicht entgehen lassen. Nebenbei und allmälig wird Gewolds Arbeit bei Maximilian, wie aus den fortlaufenden Briefen Kellers und den parallel damit gehenden Rescripten Maximilians an Gewold
5^ Sätmg Ar Atator. OUatt vom B. Jamtar 1874.
ttndetttlieli so eHcenneD ist, in IGssoredit ^ ebmclit Im März ttt G-ewolds B&ch drockfertig nnd bat es die Censnt Kellers passirt; dieser empfiehlt es dem Fürsten, sprlclit aber schon Ton einem Kriege, welchen er am ^misten Qewolds mit Maadffiilian za i&hren hatte nnd verspridit, aadh in Zn- kniift gern für ihn 'einen nenen Krieg zu fShren'). CHeidi- 'ratig ergeht der Befdil lAaximilittis an den Verfasser, dses Werk in den Dmck gehen zu lassen, aber nur mit der Censor Kellers. Babe w erhebliehe bedenken gegen die •Oensar, so habe er vor Beginn des Druckes umständlich darfiber ab den Fürsten zu berichten^. Am 13. Jon! ver- spricht "Haztmilian dem Gewbld eine Unterstfitzang für die Dmcklegmig, wiedeAolt tlber seinen freieren Befehl, das Weric nach Kellers Oetfsnr eimmriäiten ^. Am 2. 7dK spricht Keller In einem Brief an Gewold seine Soi^e ans, Bzovitts mochte in der Oewold^chen Schrift eine Blosse entdecken*), und schon am 9. Jdli findet sich An einem 'Rtescripte Maximilians die nämHefae Bemerkung *). 'Darauf folgen noch eteige 'Briäfe des Jesuiten, "an dessen Buche inzwischen ebenfalls gedmcdct wurde; er iiberhäoft 0ewold mit Lob, namentlich auch weil er seine Arbeit unter seinem Namen erscheinen lassen wolle; allein plötzlich befiehlt Mäximilian am 2. August die Einstellung des Drucks der Gewold's^hen Schrift. „Dieweilen wir nber ^nder orthen auch ein Mftitation wieder tfesagten Bzorium, damit man nun m^ehr tm endt , i^erftfssen , vnd xlir solche mit negsten Tmb dein Bedenfckhen mekhommen lassen wollen, 'allso ist hiemit ^mnser beveteh, dass du mit deiner refut^tion Inn- Standt haltest, tnndirelter darin nichts mehr dmddiBn lassest;
«*MA*MktfM^i^*^i^wa
^) Cod. bar. a210. fol. 169.
6) L. 0. fol. 161.
7) L. 0. fol. 183. 8} L. c. foL 185. ^) L. c. fol. ¥89.
Siatemal wiiR noch oit reaolviert^ ob w bodda r^QtatiQMGi ZQgleiebf oder akiQ, md wel^Q au38 disnnsedbfiQ woQc» ediem, ynd auskommen lasse» '^V'- Da aber Qiew^ld aih zeigt, dass. der Druck seines Buches bereits YX)Ilendat sei, erbält er den strengen Befehl, dass er durchaus kein ]E!zem- plar ia andere Hände kommen lasse ^^).
So graau ist jedoch das B^script Maximilians nicht zu nehmen ; denn Keller war weder mit seiner ganzen Arbeit am Ende, noch hatte er das gesanunte Material desLTheiles beisammen.. In dem nämlichen Rescript vom 2« August wird Gewold befohlen: „Nachdem auch Qii\ sonderbare Notturfft, dass wir der jenigen Schreiben, so ?on wegen Kaysers I^ndwigs Whal tqh Frankhfort aus Sijx die yon Ach abgangen, abschrifft haben, Alss ist hiemit vnnser gnädigister Bereich^ das du Vnns bey Zaiger diss als9 baldt solcher schreiben Gopias allher ordnest^')." Derjenige, welcher aber die Abschrift wirklich bedurfte , war P. Keller ^^), welcher bereits den Druck ^einejs Ludovicus defensus hatte beginnen und aus Gewolds Buch das erwähnte Schreiben abdrucken lassen \ denn gegen seine Gewohnheit citirt er den Ort, wo er es her habe,^ nicht, erst später bei einer gelegent- lichen Erwähnung desselben heisst es : in arcbivo Serenis^mi (pag. 33. 67). Aucb hatte Keller um diese Zeit erst das Wahldecret Ludwigs, welches die Kurfürsten ausgestellt hatten, die ihn gewählt hatten, aus Augsburg zurückerhalten, wo der Bischof die Abschrift mit dem Original yerglichen und die Aechtheit am 19. Juli 1618 bestätigt hatte. Auch
10) L. e. fol. 19^.
11) L. a foL 9&1.
12) Cod. bav. 2210. fol. 199.
13) L. c. fol. 187: Deinde oro, ati mihi perscmbi^t e quo Ar- chiTO, sen alio scrinio petita^ tint littwae FvAnoofartiH^si^in , in quibus dinomerantur Principes pro (lad^vico QU^ragantes : interest. n. Hix^k
54 SiUuttg der hütor. Clusse vom ä. Januar 1874.
dieses Decret ist aus Gewold herübei^enominen, da er das gleiche Datum der drei Notare gibt , welche dem Gewold äie Äechtheit bestätigt hatten.
Keller hatte seinen Zweck vollkommen erreicht: er er- wies dem Kurfürsten einen gi-ossen Dienst, und auf der anderen Seite hatte er durch den Namen Herwarta die Eeschuldigung von seinem Orden ferngehalton , dass er gegen Roms Au- spriiche sich erhoben hätte. Dass llerwnrt der eigentliche Verfasser sei, glaubten alle N ich tcinge weihte, wenn sie aucli yermutheten , dass Gewold gewiss seineu T heil daran habe. So schreibt Jobst aus Regensburg vom 21. Juni 1619: „Im fiiiil der Herr Landschafft Canzler (darzu der Herr Schwager zweiffelsohne threulich wirt geholffen haben) dem Bzovio die Britschen nit recht geschlagen, so wei-se ich nit, was britscheo ist, der Teuffei schreibe mer etwas wider euch Bayrische Scribenten, oder Euern Herrn'*)." Auch Johannes Nieber, der die herbe Weise , mit der man gegen Bzovins vorging, beklagt, zweifelt nicht an der Autorschaft Herwärts'"). Nur die Jesuiten scheinen den wahren Autor gekannt zu haben, wie aus einer Anfrage des P, Galius Zoidlhuber aus Passau bei Rader hervorzugehen scheint'"). Die Billigung des Ordens scheint Keller jedoch nicht gefunden zu haben, wenn eine Stelle in der Censura circu annales provinciae Germa- niae superioiis 1615 — 1650, worin numentücii aucli Keller wegen Herausgabe anonymer und pseutionymer Schriften von „geffihrlichen oder undankbaren Thematen" getadelt wird ''), sich auch auf seinen Ludovicus bezieht.
Auch scheint Keller gefürchtet zu haben, dass er doch noch entdeckt werden dürfte, uod aus dem Grunde scheint nach'
U) Cod bav. 2212. fol. 163.
16) Cod. Int. MoD. 1616. fol. 324.
16) Cod. lat. Mon. 1611. Ep. 89.
IT) Ällgem, Reichskrohiv : Jesuitioa iu genore F&ac. 0. Ko.Pl*.
Friedrieh: Der Jesuü P. KOer. 55
trSglich im Jahre 1619 ein neues Titelblatt gedruckt wor- den zu sein, das sich Tondem dernrsprfinglichen Ausgabe^") nur dadurch unterscheidet, dass statt Monaci Monachii steht, auf der zweiten Seite ein fingirtes Deeret an Herwart Tom 16. März 1618 sich findet, worin ihm der Befehl zugeht, den LudonGQS defensus zu schreiben, und nach der ursprüng- lichen Vorrede ein Briefwechsel zwischen Bzovius und Her- wart Tom Jahre 1619 eingeschoben ist. Sonst blieb das Bach unyerändert.
18) Das Exemplar Oefele's reprisentirt die orBprüngliche Aufgabe.
Herr y. Liliencron hielt einen Vortrag:
„lieber die Gegenstände der öffentlichen Meinung in der 2. Hälfte des 16. Jahr- hunderts".
(Wird in den Denkschriften veröffentlicht werden.)
n
SitzoDg vom 7. Febrokr 1B74.
Philosophisch -philologische ClaBBe.
Herr Lauth trägt vor:
„Die Schalttage des Ptolomaus Euer- getes I. und des AuguBtue". / (Hit einer TafeL)
Seil der Anffindimg der bilingnea und trigrapbisclien lascbrift von Rosette am Schlüsse des vorigen Jahrhunderts hat nicht leicht eine Entdeckung archäologischer Art in der gelehrten Welt ein ebenso lebhaftes Interesse erregt, als dia Entdeckung des gleicherweise zweisprachig und dreischriftig abgefassten Decretes von Kanopus in den Triimraeni der alten Stadt Tanis (San). Indem ich die zum Theile uner- quicklichen Prioritäts-Streitigkeiten hier bei Seite lasse und nur auf die betreffenden Ausgaben') der glücklichen Finder hinweise, bleibt vorläufig noch zweierlei hervorzuheben. H. Rösler macht auf der letzten Seite beraerklicb, dasa Burton *) ein Fragment von identischem Inhalte laugst mit- getbeilt hatte und dass dieses jetzt zu einer gewissen Be-
1) Lepeius: „Das bilingue Decret you KanopuB" 1866 (Bcrün) — Reinigcb und Rösler; „Die zweispracbiga loBcbrift von Tania" 1866 (Wien),
2) Excerpta bioroglyphioa pl. 51 u. 5Q,
Louih: Die SehaUta^ des FMemäm Euer§$U$ L 57
devtnng gelaoffende Brachstüdc von De Rouge, als der Sammlung des Louvre aogehörig, m seiner Beschreibung erwähnt werde. In der Tbat äussert sich der leider zu früh (31. Dec. 1872) yerstorbene Aegyptologe Vicomte Em- manuel de Rouge in seiner „Notice des monuments ^yp- tiens du musee du Louyre" p. 69 unter Nro. 122 hierüber folgendennassen: Fragment de stele en basalte yert foncS. Haut 1,95m. — larg. 0,40m. Cette stele, rompue verti- calement, eont^ait un d^cret analogue ä celui de Rosette ei trilingne comme oe dernier. La surface en est pres- que entierement usee. II servait de seuil ä la mosquee Djema emir Eour» au Caire. Quelques mots grecs dechiffr6s par M. Letronne, et qui ne se trouvent pas dans Tiuscrip- tion de Rosette, monfrerent h ce sayant, que] ce n'etait pas le meme decret; en effet, on j distingue le cartoucbe d'uae reine (Arsinoe). Quelques mots peuyent etre reconails dans les trois yersions, malgre Textreme nsure de la pierre'^ Ich selbst hatte 1864 bei meiner Anwesenheit in Paris weitere Stellen zu lesen yermocht, was aber nicht hinreichte, den Inhalt genauer zu präcisiren. Dagegen habe ich in meiner Uebersetzung des hieroglyphischen Textes dieser neben der Rosettana als Tanitica zu bezeichnenden Inschrift^, sowie in meiner Kritik namentlich des griechischen Testes ^), gegen das Schweigen der Herausgeber, ja gegen die bestimmte Abläugnung eines derselben in Betreff der demotischen Redaction, sofort die Behauptung gewagt, dasB auch diese sidi auf dem Steine finden müsse. Ich hatte die Genogthuung, nach Verlauf kurzer Zeit durch meinen Freund H. y. Horrack in Paris, die erfreuliche Nach- ridit ztt erhalten, dass der demotische Text sieh wirklich auf dem Steine befindet, sämlidi am äussern Bande, der
3) Allgemeine Zeitung 1866.
4) Litterar. CentrAlblaU 1666,
58 Silmng der phaos.-phäoi. Ciasae tom 7. Februar 1874.
wegen des umliegendeD Schuttes zuerst uabemerkt bleiben musete. H. Mariette hatte unterdessen einea Abklatsch des- selben au H. de Rouge nach Paris gesendet').
Hat nun auch durch die Auffindung der ganzen und gänzlich wohlbehalteneu Tauitica das Fragment des Louvre in demselben Augenblicke scheinbar seinen Werth Teiloren, wo es ihn erhielt, so leistet es uns doch den erklecklichen Dienst, dass wir die Bestimmung desDecretes, wornach der Beschlass der in Eanopus versammelten Priesterschaft in allen Tempeln erster zweiter und dritter Ordnung als Stele aufgestellt werden sollte, hiemit an einem zweiten Beispiele rerwirklicht sehen. Ja, wenn der Nil dem neu projectirten Mueenm auf der (ehemaligeD) Insel üeziret bei Cairo einst einen ähnlichen Besuch abstatten sollte , wie unlängst dem von Bulaq , so könnte das Pariser Fragment als alleinige Originalquelle dastehen und in so ferne würde es sich gewiss der Mühe verlohnen, weun nach der zweiten und voraus- sichtlioh besser erhaltenen Hälfte desselben in der Nabe der Moschee Djema-Emir-Kur Nachforschungen angestellt würden.
Obwohl die Tanitica in mehrfacher Hinsicht eines der bedeutendsten bilinguen Denkmäler des Alterthums ist — auch die griechische Epigraphik dürfte kein grösseres aufzuweisen haben — und, weniger für die vorgeschrittenen Aegyptologen selbst, als für die Adepten der Wissenschaft und ihre Be- mängler, ein mächtiges Hülfsmittel zum Verständnisse altägypti- scher Texte darbietet , so liegt doch der Schwerpunkt ihrer Bedeutungin derausführlich erörterten Kalender- Neuerung, welche unter Euergetes I Jahr 9 eingeführt wurde. Da der be- treffende Passus für mein Thema von entscheidender Wichtig- keit ist, so will ich ihn nach dem griechischen Originaltexte liu. 33—46 in deutscher Uebersetzung vorführen. Nachdem die
5] Ea dürfte nicht mehr za früh erachtet werden^ wenn ftucli diesor Test der OeffoDtlichkeit übergehen nürde.
^
Lauth: Die SchälUage des Ptökmäus Euergetes L 59
Wohlthaten and FeldzQge des Eaergetes, sowie die Schaffung einer neuen Phyle Ton Priestern weitläufig erwähnt worden ist, heisst es: 1. 33 . . . „Und sintemal allmonatlich in den Tempeln als Feste der Götter Euergeten (d.h. des Königs und seiner Frau) nach dem früheren Beschlüsse 1. 34 der 5. und 9. und 25. (Tag) begangen werden und man den übrigen grössten Göttern alljährlich öffent- liche Feste und Panegyrien veranstaltet: 1. 35 so soll all- Jährlich begangen werden eine öffentliche Panegyrie, sowohl in den Tempeln als im ganzen Lande, zu Ehren des Königs Ptolemäus und der Königin Berenike, 1. 36 der Götter Euergeten, an dem Tage, an welchem aufgeht (heliakalisch) das Gestirn der Isis, welcher (Tag) in der heiligen Litteratur als Neujahr gilt — es wird diese aber jetzo im 9. Jahre begangen, 1.37 an derNumenie des Monats Payni, in welchem auch die kleinen Bubastien und die grossen Bubastien ge- feiert werden, so. wie in ihm auch die Einheimsung der Feldfrüchte und 1.38 das Steigen des Flusses erfolgt.
Wenn es aber auch zutrifft, dass der Auf- gang des Gestirnes auf einen andern Tag (des Wandeljahres) übergeht alle vier Jahre, so soll die Panegyrie nicht (mit) verlegt, 1. 39 sondern (fort and fort) begangen werden an der Numenie des Payni, an welcher sie anfänglich (und) im neun- ten Jahre begangen ward; und zwar soll man 1. 40 sie auf fünf Tage hinaus veranstalten unter Tragung von Kränzen, unter Darbringung von Thier-Opfern und Libationen, sowie den sonstigen Gebräuchen. Damit aber auch die Jahreszeiten ihre Regel einhalten immerdar ge- mäss der jetzigen 1.41 Anordnung des Kosmos, und damit es sich nicht ereigne, dass einige der öffentlich CD Feste, die jetzt in den Winter fallen,
60 Sitgung^ der fhiUm.-jfimloL CSkute nom 7. FfkrHOS ISBfA.
eia'st im Sommer begangen werden, indam i&s Geatiro L 42 alle ¥ier Jahre am eine*n Tag vor- rückt; da^as dagegen andere derje^tat laden Som- mer fallenden (Feste) in der Folgezeit im Winter begangen werden, wie ea aick L 43 sowohl früher ereignet hat, als auch j,6tzt (wieder) geschehen würde,, wenn die Zasammenaetzung des Jahres ana den (bekannten) 360 Tagen und den später k44 üblich gewordenen 5 Zns atzt agen^Epa^omeoen) fort- bestehen bliebe: so soll ¥on jetzt an ein Tag &la Fest der Götter Eaergeten hinzugesetzt werden alle Tier Jahre zu den fünf 1. 15 Epagomenen (unmittelbar) vor dem Neujahri damit alle wisaen, (wie) dasa, waa früher mangelhaft geweaen in Betreff der Eintheilung der Jahreazeiten und dea Jahres und der bezüglich der L46Geaammt- anordnung dea Himmela (noko^ geltenden Ueb- ung, verbessert und ergänzt worden ist durch die Götter Euergeten/'
So weit unser Text, der nicht den sprüchwöctlichen Lapidarstü, sondern eher eine gelehrte Breite darbietet, wie man sie nur in Schriften anzutreffen erwartet. Trotz dieser Ausführlichkeit erheben sich grosse Schwierigkeiten, sobald man die Angaben dea Textes rechnerisch yerwertben will. Die erste Schwierigkeit habe ich durch richtige Trennung der Wörter (von lim. 43) ximfi' ov lylnxa und meine Deber^ Setzung y^od wie) es auch jetzt (wieder) geschehen würde" zum Theile beseitigt und zwar schon in meinem kritischen Artikel ad xainh w$yivezo „und (wie ea) auch jetzt gisachah" der Wiener Ausgabe. Lepsiua trennt and uberaetzt wie uk^ ohne indesa daraua dieselbe Sehlnssfolgerug zu ziehen, wie wir weiterhin sehen werden.
Die zweite Schwierigkeiti im engsten logiachen Zusammea* bange mit der ebengenaonten atehend, liegt in den Worten
Itattih: IHt Bch«smaff9 Bea PtöbnOun Euergetes I. ^1
1. 39 : iv / xert iff «?Z^ T?X^ ^ ^V ^^V *''^*'* Reinäscli überaetst: „an 'wälohem (Neomond des Paym d. h. dem 1. dieses Monats) sie schon von AnCang gefeiert worden idt in dem Jahre'^ Man sieht dass er ircm^ ausgelassen bat. LepsiüB Überträgt diese'Stelle : ,^an welcbem sie Ton Anfang AB im 8. Mire gefeiert imrde", wobei das xai uilberäck- Bii^btigt g^lieben ist. Yergleiobt man die dem Sinne nach identiscbe 'Stelle yon I. 36/37: aY^rai di vvv, h tio han^ ttMj iipfj) ^rovfMpfiif vov ITmvi ftrp^g „(das Neujahrfest) wird aber Jet«t, im 9. Jahre, am 1. Payni begangen", ^ b^'i^ tlie Vmrsi^edenbeit des Tempus (^x^— cf;^%Tae) befremden. Nan JrooBte ^Bfan-dfeses Bedenken durch die Erwägung heben, dass in der 8tdte mit r^x^ Bestimmungen für die Zukunft getroffsn werden, in wehärer natärlidi die Gegenwart ab Vergaaigeriheit orscheiBen muss. Allein der hieroglyphisefae Text Kn. 16 leitet die dem ayerai entsprechende Blelle durch
^i^^i'^ö^ m-fu-tu „man soll (begehen)" ein, so dass
der Grieche, seiner sonstigen Hebung entaprechend , einen Infinitivus ayea^ai hätte seteen sollen. .Bedenkt man femer, dass in dem Vergieicluu^gssatze L ^2/43 xad-aiteQ nijotjßQov XB avftßißfptjey yjeviad'ai ndvvv av iyive:io, ausser der all- gemeinen Veiiscbiebang .der Winter- und Sommerfeste auch die spezielle Vorrüoknng .des Sothis-Stemes um einen Tag .alle vier Jahre: %ov raazQOv .fUTQßalvovtog ^iiiav rj^i(}av iiä i€aao4(iaif hm gemeint ist, so kommt man mit mir zu dem Schlisse, dass dieiFimrung des Siriusaufgangs auf den 1. Payni jezade.dessbaU) toiherroigehoben und darum getroffen wurde, weil die Vonfickong auf den 2. Pajni des Wandel Jahres, ohne diese Jüu)i:dnung , «ofoit erfolgt wäre. Jetzt gewinnt das tOben besprochene ocat ein anderes Gesicht. Obwohl man es mit ^yanch'' oder „schon" übersetzen könnte, so düifte sich doch, im .Hinblicke .auf das bisher Gesagte und die weiterhin folgenden Rechnungen, allenfalls die Umsetaung
62 Bittung der phHos.-phtlol. Clane «om 7. Februar 187i.
empfehlen; iv itj (vovfi}}vlq rov Ilavvi) ii agx^S ^Z^ •'^' fr flu ivÖTti} tzet also mit TraiispoBltion des xai, oder; J»- ( y.al ii apx% 'Jz^') **" '^^ '^V ivatij) trei, was die Eioaetz- uDg (ies Wörtehens re vor t^ erheischen würde.
Es muss ferner berücksichtigt werden, dass unser Text 1. 33/34 anlasBÜch der drei monaUichen Feste zu Ehren der Eucrgeten (5. als Geburtstag, 9. ?ermuthlich als Datum seiner Verheirathang und der 25. als Tag der Thronbesteigung) auf ein früheres Decret verweist: kotcc to n^e^ ipt\(fia(ta. In diesem handelte es ^cb wahrscheinlich um die Huldigung und sicher um die Festsetzung der drei ge- nannten MonatEfeste. Aehnlich bezieht sich das Decret TOn Philae*), das vom 21. Jahre des Epiphanes d&tirt ist, auf dcti BeschlusB vom Jahre 9 (d.h. dieluschrift von Rosette) UDÜisslich der beiden Moaatsfeste (30. u. 17.), fügt aber ein drittes zu den von der Bosettana her bekannten zwei: 30. Mesori and 17. Mechir, nämlich den 30. Mechir, welcher mit dem Namen der Königin Kleopati'a in Verbindung steht, so dass also jeder 30. ein Doppelfest war, weil die Verhei- rntliung des Königs wie seine Geburt, auf einen 30. gefallen war. Aas diesem Grunde habe ich oben vermutbet, dass in iler Tanitica der 9. als Monatsfest sieb auf das gleiche Ereigniss: die Hochzeit der beiden Euergeten, bezieht. Lep- sius p. 10 denkt an das Gebnrtsfest der Berenilce. Dieses früijere ypr^tftana — leider ist das Jahr seiner Abfassung nii'lit angegeben I — steht aber in engster Verbindang, weil Vor'lersatz (iv Toig isfotg), mit dem Nachsatze, in welchem <ias Euergeten-Fest des Siriusaufgangs auf dem I. Pa;ni fest- gohalteu wird, mit dem Unterschiede, dass die betreffende Pan^gyrie jetzt eine dij)Uoieir'g „öffentliche" wird, wäh- rend sie dem früheren \pi<piaiia zufolge nur in den Tem- peln begangen und mit der weiteren Differenz, dass sie nndi Analogie der Feste der grossen Götter nur einmal
6) BmgBcfa: Demotieche Urkunden pl. UI 1. 18.
LmUh: Die SdkalUage des PtiAemäm Iktergetea L 63
im Jahre (nicht jeden Monat, wie die drei andern Feste), gefeiert werden sollte. Noch ist zu erwägen, dass der griech. Passus xara to TtQÖTe^ tffr^q>iafiaj dem bierogl.
ML ^^*^Pl vSflrT^ >j^° Ausführung des früher ver-
fassten Beschlusses'^ entspricht Aus alle dem müssen wir schliessen, dass in den Tempeln schon vor dem Jahre9 desEuergetes eine Panegyrie dieses Betreffes gehalten wurde, und da bietet sich yon selbst die Annahme dar, dass dieses damals stattfand, als der Siriusaufgang mit dem 1. Payni ohne besondere Fixirung von selbst zusammenfiel, d. h. durch das DatürUche Zurückbleiben des kürzeren Wandeljahres hinter dem festen Siriusjahre herbeigeführt wurde.
Um dieses bestimmte Jahr, oder auch nur das betreffende Quadriennium, zu ermitteln, ist ein Blick auf die Sothisperiode und diejenige ihrer Epochen geboten, welche der fraglichen Zeit zunächst vorangeht oder nachfolgt. Hier kommt nur letztere in Betracht, auch desswegen, weil wir über dieselbe die classisdie Angabe des Gensorinus de die natali c. 18 u. 21 besitzen. Unmittelbar nach der Besprechung der griechischen Mondcjclen fahrt er fort: Ad Aegyptiorum vero annum lana non pertinet; quem graece nvvixov latine vero cani- cularem vocamus, propterea quod initium illius sumitur, quum primo die ejus mensis, quem vocant Aegyptii T h o t h , canicukie sidus ezoritur. Kam eorum annus civilis solos habet dies CCCLXV, sine uno intercalari. Itaque quadrien- nium apud eos uno circiter die minus est quam naturale quadriennium, eoqae fit, ut anno MCGCCLXI ad idem revol- vatur principium. Hie annus etiam f^hcmdg a quibusdam dicitur, et ab aliis 6 '9'eov ivuxvtog.
Soviel über die Dauer des Jahres und der Periode. Die Epoche anlangend, schreibt er c. 21:
Ut a nostris, ita ab Aegyptiis, quidam anni in litteras relati sunt, ut quos Nabonnazaru( — (}ov) nominant,
G4 SiUung der pfiiTös.^pWW. Olatse pom 7. Foftfuar 1«7<.
quod a primo imperü fijas anno consargnnt; qDoram hie DCCCCLXXXVX. Dies sind 986 Jahre des Canons aaf Grand der Aera Nabonnaaar'e , Epoohe: 26. Februar 747 V. Christus, wie ein persisch-arabisdier BdirifUteller ') 886 Jahre des Bochteoasr mit der Epoche : erstes Jahr des Kaieera Abtinus (Antoninus) zusammenbringt. lu der That steht nach Aegyptischer Rechnutig der Anfang des AntonianB||aaf 138, 10. Juli nach Christus, also 10 Tage vor dem Siriusaufgang (nm 20. Juli). Aber sowohl 136, 137, 1S8 als such 139 nach Christus haben dieselbe Signatur, Man sieht, dass des Censorinns Summe gerade am runde 100 Jahre grösser ist: 986 der nabonasB. Aera. Wirklich sagt er bei Anführung der — (item Philipp! (Arrhidaei) qai ab excessu Alexandri Magni numerantur et hoc uaqoe perdacti, annoB DLXJl consuiliant) — und es ergibt auch hier die Rechnang 323 V. Christus + 562 = 238/239 iiadi Christus wie die Nennung der Conauln beweist — Folgendes : Hio annus, cnjna Telut index et titulüs quidam est Ulpii et Fonti&ni consu- littus. Dieser Echeiubar nnTollendcte Satz ist als emphatische Wiederholung des vorausgehenden und nur durch dJeParen- these (item Philippi etc.) getrennten quorum hie 986 *" za fassen. Alsclaonheisst es: Sed horum initia semper a primo die mensis ejus sumuntor, cui apud Aegyptios nomen est Thotli, quique hoc nnno fuit ante diem VII Cal. Jul-, qDUm abhinc anuos centum, Imperatore AntoniDO Pio II (iterum) et Brutlio Praesente Cobb. idem dies fuerit ante diem XII Cal. August., quo tempore solet canicnla in Aegypto facere exortuui. Quare scire etiam licet, anni illius magni, qui, nt Bupra dictum est, et solariB et caaicularis et Dei annus vocator, nunc agi vcrteutem aonum centesimum.
Hier haben die Bearbeiter alle die Oorrectnr XIII Cal. als nothwendig erkannt, weil !^oder 25 Tage vom 2 Ö. Juni
7) Idelcr: Handbuch der Chronolofpe U 627.
LoMth: Die Schälttage des PMemäus ßuergetes t 66
weiter gerechnet « auf den 20. Jali: XIII Cal. Ang. fahren, nicht aber auf den 21. : XIIGal. Aug. Weniger gewaltsam wird die Aenderang erscheinen, wenn wir die Schreibung XmCal. als ursprünglich ansehen und sie archaisirend als XnEal. auffassen lassen, woraus dann missTcrständlich die falsche Lesart XII Cal. entstanden ist.
Auf jeden Fall bezeichnet der Frühaufgang des Sirius am 20. Juli die Tetraeteris 136, 137, 138, 139. Dazu stimmt es Tortrefflich, dass die Kopten auf Grund des fixen sogenannten alezandrinischen Kalenders jedesmal ein Jahr früher einen Tag einschalteten, als der julianische Kalender. Da nun in letzterem das Jahr 140 nach Chr. ein Schaltjahr ist, so mossten die Aegjpter anno 139 ihr Schaltjahr haben, folglich der yorhergehende Schalttag in das Jahr 135 nach Chr. gefallen sein, mit dem die Siriusperiode abschloss.
Rechnet man nun nach diesem Prinzipe zurück, so findet man, dass der heliakalische Aufgang des Sirius (Sothis, Gestirn der Isis) auf den 1. Payni gefallen war in den Jahren 245, 244, 243, 242 vor Christus") und da der Schalttag sich allmählig aus den vier Vierteltagen summirt, so mochten die Aegjrpter während der Regierung des Eucrgetes I, der 247 y. Christus auf den Thron gelangte und bis 222 herrschte, in den Jahren 242, 238, 234, 230, 226, 222 einschalten, wenn diese neue Einrichtung schon im fünften Jahre dieses Königs praktisch wurde. Statt dieser sechs Schalttage (oder Schaltjahre) yermuthet Lepsius (p. 14 seiner Einleitung) nur die fünf zuletzt genannten als möglich. Ich werde die An- sicht des bewahrten Nestors der Aegyptologie gewissenhaft prüfen, aber nur zum Theile monumental bestätigen, übrigens seine scharfsinnige Bemerkung über die mit Philopator ein- getretene Reaction auf Grund eines Denkmals rechtfertigen.
8) YergL P. J. Junker: Untersuchungen über die ägyptischen Sothisperioden p. 80. [1874, 1. Phil, hisi CL] 5
Sitsung der philoe.-phäol. Classe vom T, Februar 1874.
Aber in Betreff der Siriusperiodc-Epoche , die er mit 139 n, Christus Btatt mit 136 beginnen lässt, sowie in Bezug auf die nothwendig vor 238 v. Christus anzusetzende Pro- jectirung der Fixation des Siriusaufgangs auf den 1, Payni, so sehr wir in der Grundannahcue übereinstimmen, bin ich wegen der weiterhin zn besprechenden Denkmäler genöthigt, eiue andere Ansicht aufzustellen. Da man aber von einem solclien Forseber immer lernen kann, auch wo man von ihm abweicht, und seine Hypothese an und für sich die grösste Beachtung Terdient, so will ich dieselbe hier zwar in mög- lichster Kürze, aber ohne wescnthche Ausl^ssuug Torfübren. Er sagt p. 13:
„Vou Wichtigkeit ist nun aber die Angabe in unserer Inschrift, dass im 9. Jahre Euergetes I der Aufgang d. h. der heliakalische, des IsisgeBtirnes auf den ersten FayDi fiel (richtiger ayeiai uud noch besser tiyeaO^ai begangen werden sollte). Da der !. Thoth dieses 9. Jahres auf den 22. Oktober 239 vor Chr. fiel (zum 4. Male, nach Lepaius zum ersten Male) und das folgende Julianische (proleptische) Jahr kein Schaltjahr war, so fiel der 1. Payni 9 Monate oder 270 Tüge später auf den 19. Julianischeu Jnli und io den drei folgenden Jahren auf den 18. Juli. Hierin liegt eine grosse Schwierigkeit": Lepsius erwartet mit Andern statt des 19. JuU den 20. Juli und sieht dessbalb ,,für jetzt keine befriedigende Lösung dieses Widerspruchs". Da ihm nun ,,das dem 1. Payni (des Wandeljahres) entsprechende Juhanische Datum immer nur zwischen dem lü. u. 18. Juh', nicht zwischen dem 20. u. 19. Juli schwanken konnte, wenn man nämlich die Schwierigkeit durch eine andere Lage des Schaltjahres beseitigen wollte, so stellt er protisorisch „bis sich vielleicht eine andere Erklärung darbietet", folgende Vcrmuthung auf: ,,Wenn die ägyptischen Priester dea Flau der Kalenderreform vier Jahre früher im Jahre 242 v. Chr., in welchem vielleicht das frühere Decret abgefasst wurde,
Lauih: Die Schalttage des Ptölemäua EuergtUs L 67
in ÄQsfiihraog gebracht hätten , so würde, da der 1. Thoth damals auf den 23. Oktober fiel, der Sothisaafgang in der That auf den 1. Payni gefallen sein, während er im Jahre 238 vielmehr, (nach Gensorinus) auf den 2. Payni fallen mnsste. Vielleicht war schon damals (242) das Project ge- fasst, kam aber aus irgend einer Ursache nicht zu Stande. Die Zweckmässigkeit, den Anfang des Sothis- jahres in dem laufenden, hinfortaber zu fixiren* den Kalender auf den 1. statt auf den zweiten Tag eines Monats zu legen, ist nicht zu ver- kennen'^ Ich habe diese Stelle gespen-t gegeben, weil sie wirklich das Räthsel zum Theile löst. Wir wissen aus den Denkmälern — wenigstens hoffe ich es in meinem nächsten grösseren Werke „Sothis" nachweisen zu können — dass die Coincidenz des heliakal. Sothisaufgangs mit je einem ersten Monatstage des Wandeljahres^be- sonders gefeiert, ja eine neue Zählung der Re* gierangsjahre darauf begründet wurde. „Es würde dann, fährt Lepsius fort, der 1. Sothische Thoth genau um 9 Monate später als der 1. Thoth des Energetischen Jahres gefallen sein. Diese gute Gelegenheit war vorüber und kam erst nach 120 (4x30) Jahren wieder'^ Er neigt alsdann eher zur Annahme eines südlicheren Breitegrades für den Sothisaufgang, als zu einer Rückdatirung, die allerdings auch ihr Missliches hat. Den Kern seiner Ansicht entnimmt man unschwer seiner übersichtlichen Tafel p. 18, deren Schluss sich so darstellt:
MonatX = Payni 1. = 19. Juli. Feier des heliakalischen
Siriusaufgangs. Erster Tag des 5 tägigen den Euer- geten geweihten Volksfestes. MonatX = Payni 2. =20. Juli. Der heliakalische Si- riusaufgang nach der
Tradition.
6*
68 SiUuitg der phiJos.-philol. Glosse vom 7. Februar J874.
MonatX = Payni5. = 23.Juii. Letzter Tag des Vollts-
festes. Epagomene 6. =2I.0ctob. Schalttag. Fest der
Euergeten. I Thoth 1. =22.0ctob. Neujahratag des 10. Re-
gierungBjabreB des Eaer- getes. Die TOD T. Gutschmid ') nur angekiludigto Erkläraag aus dem maoedonischea Datum i^t noch nicht erschienen. Die von A, J. H. Vincent auf Gruad des nämlichen ägyptisch- macedonischen Datums 7. Apellaua — 17. Tybi sowie der Mondtafeln von Pingre augestcllte Berechnung fuhrt vor den 7. März 238 v. Chr. als Abttssungsdatum der Tanitica, näm- lich in das Jahr 243 ?. Ctir. So auBprechend dieses Aus- kunftsmittel auch erscheint, so muss ich es doch mit Lepsias zuiückweisen, weil der Ptolernüische Canon, für dessen Rich- tigkeit ich weiterhin zwei schlagende Beispiele anrühren werde, den Anfang der Regierung des Euergetes auf 247 V. Chr. somit dessen O.Jahr = 238 setzt, und wir eineMit- regentechaft des Euergetes mit Philadelphus nirgends er- wähnt, ja durch genau datirte Inschriflen geradezu aus- geschlossen finden.
Indess auch die zweimalige Feier des Sinusaufgangs unmittelbar hintereinander: am 1. and 2, Paj'ni, wiesieLep- sius supponirt, wird schwerlich als genügendes Auskunfts- mittel erachtet werden können.
Bei dieser Sachlage wird es keiner Entschuldigung be- dürfen , wenn ich eine andere Lösung versuche. Ich muss zu diesem Behufs etwas weiter ausholen , um den Ort der Einschaltung d. h. die Stelle des Jahres zu ermitteln, wo der aus den vier Vierteln erwachsende Schalttag alle 4 Jahre als Festtag der Euergeten eingesetzt wurde.
9) ZeitBcbrift für aeg. Spr. 1868 p. 86.
J
Laudh: Die SchalUage des Ptotemäus Euergetes L 69
Wie man auB obiger Tafel entnimmt, betrachtet ihn LepsiQs als 6. Epagomen und gibt ihm daher seinen Platz anmittelbar hinter den 5 hergebrachten Epagomenen. Allein wenn wirklich ein 6. Epagomen beabsichtigt gewesen wäre, so hätte der Text der Tanitica, der doch sonst so aus- fuhrlich ist, sicherlich eine Stelle enthalten, die allenfalls so lauten mochte ä>zl täv Ttevre fujieqüv e^ '^i^iQctg BTtayeo&ai dia reTTaiftüy harn. Statt dessen bietet der Text: a/ro rov vvv ixiav fiixi^av iog^tr^v %tov Eveqy&^Civ &£iüv eTtayaad'ai ötd fsaaafuv htSv BTti Toig nevre ralg inayofjiivaig 7t q 6 Tov viov ezovg. Dass die 5 Epagomenen von jeher den Jahresschluss bildeten und also unmittelbar vor das Neu- jahr fielen, unterliegt keinem Zweifel. Das Gleiche fdr den alle 4 Jahre erwachsenden Schalttag — quem in, f es tum diem immutarent ^^), scheint mit Bezug auf diese f^f^i^a eo^Tj der Euergeten gesagt zu sein — anzunehmen, liegt im Texte wenigstens kein Zwang vor, da das iTtdyea^'ai zur Geltung kommt, unabhängig von der Stelle der Einschaltung. Auch zeigt unser eigner Kalender die analoge Erscheinung, dass der eigentliche dies intercalaris nicht hinter dem 31.Dec. hinzugefügt, sondern dem Februar einverleibt und auch hier nicht ans Ende , sondern als bissextilis d. h. 24. Februar (fuga reguml) eingesetzt wird.
Ich habe anderwärts ^^) auf die jedenfalls frappante Thatsache aufmerksam gemacht, dass dieser bissextile 24. Februar genau die Mitte des Jahres vorstellt, wenn man vam 29. August = 1 Thoth des alexandrinischen Jahres 6 Monate, zu 30 Tagen, also 180 Tage weiter zählt: der 181. Tag ist alsdann der 24. Februar bissextus und Hincks '*)
10) Schwur der Könige naoh dem Phanomm. Arat. dies nicht thnn m wollen.
11) Los EodiaqneB de Denderah p. 82.
12) Oa the varioas ^ears axid month^.
70 Siliung der iikxlos.-i)hilol CTowe vom 7. Fetnwf 1874.
war der Anaicht, dasa die dahinter folgenden Tage 25 26 27 28 29 des Februar den 5 EpagomeDen entsprechen.
Das mag nun dahin gestellt bleiben. Wichtiger, w«l auch auf die älteren astronomischen Denkmäler Aegypteas begründet, scheint mir die Wahrnehmung, dass die Sceue der Intercalation , die ich in den (4) Vierteln des Stieres, von der Menat, der Repräsentantin des Monats Pha-meoat, annexirt, erkannt habe, also die Einschaltang im festen SiriuBjahre schon frühzeitig immer der Mitte des Jahres d. h. dem 19, Decane Sfiäv („Theiler") entspricht. Wenden wir dieecg auf uDsern Fall an. Im Jahre 239 V. Christus war der 22. Oct — 1 Thoth. Rechnet man G Monate ä 30 Tage weiter, so kommt man auf den 20. April 238 = 1. Phamenoth als vorausgesetzten Schalttag zu Ehren . der Euergeten. Hiemit gewinnen wir scheinbar Nichte, was zur Lösung der Schwierigkeiten verhilft. Aber es würde diese Hypothese uns doch wenigetens erklären, waram das Decret nicht von 2 (notbwendig anzonehmenden) Znsatzsdialttagen am Ende des Jahres spricht, sondern nur von einer Tifti^ iogti] TW)' £r£pj'£T(5i' ^eüv , weil eben der nach der alten Uebnng in die Jahresmitte fallende Schalttag schon darch das TT^t^ov xpr^giiafia bestimmt worden war, also hier nicht mehr eigens erwähnt zu werden brauchte. Die Neuemng bestand also darin, dass äfio tov vvv der früher für die Tempel allein bestimmte Schalttag jetzt dtjftoteXt^s tiod öffentlich begangen wurde.
Das Haar der Berenike. Es fragt sich nun, ob die Priesterschaft schon vor dem Dccrete von Kanopus — unserer Tanitica — einen plausiblen Anlass gehabt habe, dem Herrscherpaare der Euergeteu zu Ehren eine Kalender- Neuerung zu beschliessen. Als inneren Grund habe ich bereits die Goincidenz des Sirinsanfganges mit dem 1 . Payni während des Quadrienniums 245—243 t> Chr.
Lauth: Die Schalttage des Ptölemäus JFhiergeies L 71
angeführt. Aeussere Veranlassungen deutet unsre Inschrift selbst an, indem in lin. 10 — 12 die siegreichen Feldzüge des Euergetes nach Asien, die Zurückbringung der von den Persem entführten Götterbilder und die Herstellung des Landfriedens geschildert werden. Drojsen^') lässt die Sieges- jahre mit 243 y. Chr. abgeschlossen sein ; allein Lepsius p. 6 vermuthet mit gutem Grunde, dass dieser Termin weiter zurückverlegt werden müsse. Hatte schon Droysen p. 345 die Wichtigkeit des kleinen Denkmals in Esneh erkannt, worauf zu GhampoUion's**) Zeiten (1829) nach llmehreren- theils asiatische Völker wie z. B. Persu, Zaha, Arma, Soscb, Earsa, Schabeh, Orscbi neben den europäischen Traiksu und Makaden^^) zu lesen waren,' während der ganze Tempel von 90 zu 60 Fuss zur Zeit der französischen Expedition fast unversehrt war, so liess sich von Lepsius erwarten, dass er dieses Monument zur Illustration unserer Inschrift (der Ta- nitica) verwerthen würde. Er gelangt in der That zu dem, wie mir scheint, unanfechtbaren Schlüsse, dass der besagte Tempel in Esneh von Euergetes zum Andenken jener asiat- ischen Siege eigens gegründet wurde. Um so mehr ist dessen Zerstörung zu bedauern. Denn GhampoUion fand daselbst noch die „Safech, die Göttin (Muse)") der Geschichte und Begleiterin des Thoth (Hermes) als Herrin der Schrift im Saale der Bücher*' dargestellt. Vielleicht war daselbst auch in acht ägyptischer Weise das Wort mench = Eieqyirr^g A erläutert, das in unsrer Inschrift, lin. 8 in -d^eol EvsQyirai diareXcfvaiy TtoXka xai /.isydla eveQyetovvTBg (= lin. 4/5
13) Gesch. d. Bildung d. hellenistischen Staatensystems II 837, 347.
14) Notioes descriptives p. 284.
15) Man yergleiche die grosse Inschrift von Adulis, sowie das Datom J. 10 Epiphi 7 des Euergetes I (242) im Tempel zu Edfu, dessen Bau durch die Tahitica veranlasst zu sein scheint. Zeitschrift für ägypt. Spr. 1872. Ebendaseihst steht : „18. Mesori == 23. Epiphi (Euer- getes n J. 28 = 142 V. Chr.)." In der That 26 Tage = 26x4 od. 100 J.
16) Yergl. meine vorige Abhandlung über Altäg. Musik p. 519,
72 Sitgung der phHoa^-phiki. Ckuse wm 7. Februar 1874.
A/WV^
dashierogl. Textes flfl^^fff) a'»«^ weiterhin L 18 di9a-
iUlU
vtnop eveQyeaiav = 1. 10 hierogl. '^^'^
ebenfalls wiederkehrt und durch die wirklichen Wohlthaten anlässlich der Hungersnoth etc. einen historischen Hinter- grund bekömmt. Es verdient desshalb die Angabe des Hieronymus^^): simulacra deorum 2500, in quibus erant quae Cambyses capta Aegypto in Persas asportaverat . • . Denique gens Aegyptiorum, quia post multos annos deos eorum retulerat, ^Boergetem eum appellavit, allen Glauben. Es gab aber auch zu Eanopus, der Tanitica zufolge, ein Heiligthum der Euergeten, wie der Arsinoe Ghloris, der Mutter des Ptolemäus Euergetes I.
In einem dieser zwei Tempel von Eanopos wird wohl audi der Thatsache gedacht worden sein, dass Berenike (11, die Tochter des Magas), die Gemahlin des Euergetes I, welche wahrend der Abwesenheit ihres Gemahls in Asien, ihr schönes Haupthaar im Tempel der Venus Zephyritis es voto auf- zuhängen gelobt gehabt, es den Göttern wirklich gewidmet habe, als ihr Gemahl als Sieger heimgekehrt war. Als es am andern Tage vermisst wurde, erklärte ein Stern- kundiger Namens Eonon, dasselbe sei unter die Götter auf- genommen d. h. an den Himmel versetzt worden. Wirklich zeigte er auch im Schweife des Löwen sieben Sterne, die er dafQr ausgab. Diese xofifj Be^Uijg besang Kalli« machos in einem von CatuUus „De coma Berenices (LXVI) nachgeahmten Gedichte, das Warton „epigramma cnltissimum*' nennt, der Herausgeber desTheokrit:Dahl (und schon Hygin. poet astron. H p. 4 aber mit Unrecht) auf Berenike I bezieht, und mit Theokrit's >*) Idyllion XV SvQatcovaim T "Aöiopia-
17) In Daniel.
18) Ausgabe von Dahl, Boitock 1804,
Lauihi DU SdhiMagt des Pudemäua EuergeUi L 73
^ovöai gleichzeitig setst. Die betreffenden Verse des letzteren lauten: 106—111
KvTtQi /iuavaiaj %v fiev d&avaxav ano S'vatagy Idv^flfijtiav tag fivd-og, iTtoifjaag BtQtvlxaVf l^fißQOoic[y ig orr^^og äjtwnafyioa ywaiMg, Tlv di xc^^Mjdo/u^ya, TtoXvtjyvfie xat Ttohüvcttj yi BeQevinBia d-vyavrjQ, ^Ekivif BiKvia^ ^dqaivoa ndweaai X€sXoig dvitdiJsi Zidwviv.
Die das Adonisfest veranstaltende Königin ist Arsinoe^*) Fhiladeipbos, folglich die hier genannte Berenika ihre Matter, die Gattin Ptolemäus I Lagi. Der Dichter sagt kein Wort Ton ihrem Haare, was man doch erwarten durfte, wenn fierenike I, die Gemahlin des ersten Ptolemäers, der aller« dings anch Feldzäge nach Asien nntemahm, wie dieClassiker nebst der Stele von Gairo beweisen, das betreffende Gelöbniss gethan und aasgefubrt hätte. Dass der Dichter diese Bere- nike I ,yans einer Sterblichen zu dner Unsterblichen" durch die Aphrodite werden läset, darf nicht befremden, da er ja in dem nämlichen Gedichte y. 46 — 48 singt:
7(oiXa Toij (o IlroXsfiaU, TtSTtoirjvai %ald egya, i^ (0 iy d-^avdtoig 6 TexcJ>| ovdeig xcmosQyog dakehai tov iovray Tta^QJttov u4lYvmia%L
Daraus hat meines Wissens noch niemand gefolgert, dass der Vater (texm) des Ptol. Philadelphus, nämlich Ptol.
19) Wie verwirrend die Ptolemäergeschichte ist, zeigt gerade dieser Name. Sie war die Sobwester des Philadelphos ; dieser hei- ratbete aber sneret ihre mit LyBimachoB erzeugte Tochter Arsinoe Cbloria die Jüngere, versiieBs diese nach vierjähriger Ehe nnd hei-, ratbete dann ihre Matter, die Wittwe des Lysimachos, seine Schwester ' Arsinoe die Aeltere, die desshalb auf den Münzen Tom YIII. Jahre des Philadelphos aa erscheint. Cfl Champollion — Figeac: Notice de deux papjrus egyptiens.
74 SiUung der phaos.-philol.Cbmi tom 7. Februar ISti.
Lag! als SterDbild an den Himmel vorsetzt wordeo, sondern nur, dasa er (der ^eög Sirene) gestorben sei "*).
Die wirkliche Schwester des Energetes hiess aller- dings ebenfalls Berenike, aber sio war noch von ihrem Vater Pbiladetphoa an König Antiochos II von Syrien verheirathet worden , der rlesshalb seine erste Gemahlin Laodike mit ihren jungen Sölinen verstiess, aber zur Zeit der TfaroD- bcsteigung des Eucrgetes wieder zurückrief. Laodike rächte Eich nun, indem sie sowohl den Äntiochos ala die Berenike mit ihrem Söhnchen ermordete. Diese Gräaelthat erzeugte den Krieg zunächst in Syrien und veranlasste den Energetee zu noch weitern Unternehmungen in Asien.
Dass CatuU in zwei Distichen (10 a. 11) der Königin Berenice von ihrem personificirteo weil vergötterten Haare sagen läast:
Id mea me multis docnit regina querelie, Iiivisente novo proelia torva viro.
At tu non orbum luzti deserta cnbile Et fratrie cari flebile discidinm — ist ganz in der Ordnung, da die Königinen der Ptolemäer- zeit, auch wenn sie nicht — wie oft genug! — die wirk- lichen Schwestern der Könige waren, dennoch diesen Titel führten. So also auch unsere Berenike II Euergetis, die Tochter des Magas.
Sie that das Gelübde, ihr Baar abzuschneiden und den Göttern zu weihen
qua rex tempestate, novo auctas hymenaeo, Vaatatum finea iverat Assyrios — 20) Aus der VerwirraQg, die dorcb die Wiederkehr derselben djameti' Bolien Namen verursacht wird, mögen Bioh Sätie wie folgende, er- klären : „Berenice, des sveiten derPtolemäer, Lagi, und der Aninoe, Toohlcr. Sie Termälilto «ioh, nach Art der Ptolemäerinen, mit ihrem Bruder Evergete«. Da ihr Oemabl in den Erleg tog, gelobte aie etc." Neues Convertationalexicon oder «Dcjolop^aobai^ Band- wörterbnch etc. KQln und Bonn ieS4.
LaiUh : Die Schalttage des Ptolemäua Euergetes L 75
was doch zum Feldzuge des Eaergetes vortrefiFlioh passt. Weiterhin ?. 5 1 sqq. lässt der Dichter das Haar sagen : Abjonctae paallo ante comae mea fata sorores
Lngebant, qaum se Memnonis Aethiopis Unigena, impellens natantibas aera pennis,
Obtulit Arsinoes Chlorides ales equus. Isqoe per aetherias me tollens ad?olat nmbras,
Et Veneris casto conlocat in gremio. Ipsa snnm Zephyritis eo famnlum legSrat,
Grata Gan opaeis incola littoribus.
Der Sinn dieser Stelle ist wohl der, dass die Venus Zephyritis (von einem Vorgebirge bei Kanopus so genannt) den eingebornen (Pegasos) des Aethiopen Meninon (Sohnes der Eos) zu einer nach der Arsinoe'O Ghloris benannten OertUchkeit gesendet habe, um von da das Haar der Berenike wegzunehmen und dann an den Himmel und zwai* in den keosdien Schooss der Venus niederzulegen.
Die Tanitica nennt in der That I. 6/7 als Versammlungs- ort der Priester, die das Decret von Kanopus verfasstoD, „den Tempel der Götter Euergeten in Kanopos^*: aiTedQev- aayteg tovtt] tf rjfieQijc iv t^ ev KavioTtct) ieQfp züv Evbq- yeriov d^etav^ eiTtav. Die lauge Erörterung 1. 46—73 über die Apotheose der , Jungfräulichen Berenike", einer Tochter der Euergeten, und ihre Beisetzung im Tempel des Osiris von Kanopos braucht hier nicht weiter besprochen zu werden. Nor so viel sei erwähnt, dass die dort in den Fundamenten aofgefundene Goldplatte mit der Inschrift ^OaiQec etc. und den Namen der Ptolemäer Euergeten hinläDgl7ch für die Existenz
31) Die weiterhin zu besprechende Stele des Anemho enthält den Namen dieser 'Agotvoti ( XXwqis ) 9iXa6&'k(pog zweimal , einmal
— pi ^ /www -
lin. 4/6 in Verbinduug mit der Legende rl^ TOw^
y^Tempel, welcher in Bopen^* vennnthlic)i das Vorgebirge Zftpvgmv meinend.
76 Siizung der phäos.-fhSol. Classe com 7. Februar 1874.
des Osiris oder Serapis-Tempela in Kanopos beweist**). Eben daher stammt auch der trilingue Opferstein der Berliner Samm- lung") mit der Inschrift: Sa^äntSt iyul) ftEyakut üayitJxog Zaqanluivog. Der demot. Text ist ausfülirlicber, indcoi er bietet „der koptitiacbe Osiris in Haimb schenke Leben dem Pa-hiii in {Tlrtv-t-Aog) , dem Sohne dos P-se-n-Osiris (Sacttftlwvy; Der hierogl. Text ist noch ausgedehnter; ich führe bier nur den Titel des Osiris an: ^i — "^f^?) chent Hannb. Dieses erklärte der Rbetor Aristides als = jiQvaovy eiaqiog; die Griechen aber adaptirten diesen Namen dem des Steuermannes Kövoißos {bei Meaelaos).
Aus alle dem geht wenigsteos soriel hervor, dass auch das Heiligthum der M^iiöij 'l>iläd(}.ifog XlÜQig **) in Kaaopus sich befand. Dasa die in der Tanitica 1. 55/56 erwähnte HUov &vyatt]^, mit deren Versetzung an den Himmel derHinttilt der jungfräulicli verstorbenen Prinzessio BeQevixjj so ausführlich verglichen wird, nicht so fast die Tafuut ^I|J igt, wie Lepsius p. 16/17 aunimmt, sondern
eher Hatbor, die ägyptische Venus, welcher als Menbet, die Eosenameu ßaaikela und oQaoig eher gebühren, als der Tafnut, ist klar. Denn das Fest der tS3 — menhet =^ ßaaiXela ist im Kalender von Eaneh unter dem 17.Tybi angemerkt, wie die Tanitica I, 55 sagt: h %t^ Tvßi (ir^vt und dabei ist zu bemerken, daas eben dieser 17. Tjbi der Tag der Ab- fassung des Decretes ist. Uebrigeos zeigt die ganze
23} Letronne: Becueil des iasoriptionfl grecqaeB etc. I.
23) Brngsch: Demot. Urkunden Taf. IV B. p. l!l/20.
24] Chlorü bedeutet „die ßlitsggrÜDa" and wird als „Qöilin der Blamea" (Flora) «afgefsiBt. Ea kann nur die jüngere Arsinos (erate Gemahlin dee Pbiladelphos) aein, der die Euergeten huldigen, da die filtere 'A^iyö^, die Mutter, aber lugleich Nachfolgerin er- ■lerer in der Ehe mit Philidelphoa, kinderlos blieb, Energetea war alao Sohn der Chloria.
Lauih: Die 8chaUag$ des BolemäM EuergeUs I. 77
weidänfige Apotheose der jangfräolichen Be^ixrj avaaaa Ttaq^ ^ivtavy wie weit die Wohldienerei des ägyptischen Priester- coUeginins schon gediehen war. Lässt sich anter sothanen Umständen bezweifeb, dass man von der Abschneidung und Anfhängong des blonden Lockenhaares der BeQevUt] EieQ- yifig im Heiligthnme der yi^ivorj XXaifis — was ich fiir geschichtlich halte — weniger Aufhebens gemacht haben wird? Alles deutet vielmehr darauf hin, dass man aus An* lass dieses Ereignisses und der siegreichen Heimkehr des Euergetes die Euergeten-Tempel in Esneh und in Kanopos eigens gegründet hat.
Leider haben wir die untere chronologische Gränze dieser Begebenheiten hiemit noch immer nicht gewonnen. Aber jedenfalls können sie nicht über 243 v. Chr. herabge- ruckt werden, so dass von da bis zum Schlüsse des Jahres 242 V. Chr. , wo die Verschiebung des Siriusaufgangs vom 1. Payni des Wandeljahres weg sich erst fühlbar zu machen begann, Zeit genug geblieben ist, um jenes TtQoreQOv xprjg>iafia zu Stande zu bringen, das sowohl die Einführung der drei Monatsfeste —.des am 9. besonders wegen bewiesener Treue und Anhänglichkeit der Bedevixr] — als die Fixirung der Coinddenz des Doppelkalenders auf den L Payni ent- hielt, zunächst für die Tempel (iv zölg IsqöIq). Die weitere Ausdehnung auf den bürgerlichen Kalender und die Bestimmung eines öffentlichen Volksfestes für diesen Schaltt^ als Fest der .,Euergeten'^ folgte einige Jahre später am 2. Payni des Wandeljahres 238: es ist der In- halt der Tanitica.
Die Grab-Stele des Teho.
Bisher haben wir uns zwar immer auf monumentalem und classischem Boden bewegt; aber ein eigentlicher Beweis für die wirklich erfolgte Einschaltung im bürgerlichen Kaien* der, kurz, der Gebrauch der Intercalation während der
fW
78 SiUtmg dar phtloa.'phildl. Classt vom 7. Fehninr 1874.
Regierung des Euergetes I ist aus gleichzeitigen Denkmälern bisher noch von Niemand geliefert worden.
Diesen empfindlichen Mangel — da man ja immerhin denken könnte, der ßeschluss von Kanopus sei ein todter Buchstabe oder auf die Tempel beschränkt geblieben — scheint mir ein Denkmal der Wjener Sammlung endgültig zn beseitigen. Es ist eine Grab-Stele der gewöhnlichen Art, nar von etwas grösserem Umfange, was durch die Menge der Titel des Verstorbenen erklärlich wird. Als ich im Jahre 1865 (Jnli) Wien besuchte, mussts sie mir schon wegen des kürzeren nnterhalb angebrachten Textes in demotischer Schriftart auffallen "). Der betreffende ,, Inhaber dieser Stele" "^^e „ nebt M pu führte den Namen °*~^ Wi Te-ho = Ttiög oder Taxiie, wie der gleichnamige König der XXX. Dyn. gräcisirt wurde. Seine Eltern waren der Grosawiirden- träger ~ — . '^ Aii-em-ho, dessen Namen der Wun&ch ■¥■! ' anck-usa-sneb ,,m()ge er leben heil und gesund!" nicht uus- sonst oder uls Redensart angefügt wird. Denn ich werde bei der Besprechuug seiner Grabstele nachweisen, dass er Beinen Sohn Teiäg um 6 J. 2 M. 9 T. überlebt hat. Den Schlnss der hieroglyphischen Legende bildet die Angabe;
Toi ?sFf J«i I ^ Id e'onnii [ ; i nini "
den vom Leben des Inhabers dieser Grabetel»: Jahre 44,
Monate 6, Tage 29 '.
Der demotische Text unterhalb ") bestätigt zunächst diese Angabe der Lebensdauer vollständig in allen ihren
2b) Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht umhin, Hrn. Dr. Bei- niBch meinen öfTentlicben Dank auszasprechea für die freundliche Bereitwilligkeit, womit er mir seine Copieen üur Vergleichung mit meinen Abschriften zur Verfügung stellte.
213) Siehe die Tafel, t.
. LatUhi Die Schalttage des Ptolemäus Euergetea 1. 7d
Theilen; aasserdein gibt er aber den Geburtstag, Sterbetag and die 70 tägige Einbalsamimngsperiode an, wie folgt :
9,Die Grabstele (pe uaü) des Verwalters ( Uer) der shepa^-t (Geschenke?) Teho, Sohnes von Anemho dem Setem- priester, geboren von der Her-anob. Sein Gebartstag: Jahr 17*7), Monat Epiphi, Tag 29. Der Tag des Eintretens zo seiner Stätte der Momifizirung (airu) : Jahr 24, Monat Mechir, Tag 22. Der Tag seiner Beisetzung (im Grabe) er- eignete sich Jahr 24, Monat Pachons, Tag 2. Seine Lebens- dauer betrug: Jahre 44, Monate 6, Tage 29. Dieses (Denk- mal sammt Insdirift) bleibe ewig und beständig P'
Ich will ans dieser wichtigen Inschrift zuerst die 70 tägige Procedur der Mumificirnng hervorheben. Wir wissen dieselbe bereits aus Herodot II 88 taQixevovat rag eßdofurjxovza \liiqag xat tTteira air^ üjv eäviTiav mtocfiqeod'ai. Die Denk- mäler sind ebenüalls sehr explicit über diesen Puokt und sehr zahlreich. Ich will der Kürze wegen nur noch eines namhaft machen. Dieses Beispiel bietet die Stele des Pe- scherenptah, der im 11. Jahre der^Kleopatra VI starb, „and received the usual Egyptian embalment of seventy days, from the 15*^ of Epiphi to the 20*^") of Thoth of the next (12.) regnal year^^ Unsere Stele des Teho liefert einen weiteren Beleg, indem zwischen dem Sterbetag: Mechir 22 und der Beisetzung im Grabe: Pachons 2, genau 70 Tage (8+30+ 30+2) verfliessen. Herr Birch hat aus den Monumenten die Ueberzeugung gewonnen , dass diese 70 tägige Periode „was in some instances divided into two, the one half or thirty five days being employed in the ®^ api rut or „cere-
monies^S and the other *•) in the \r^ O sut (lies se-tuch)
27) Das Zeichen für 7 gleicht mehr dem hieratischen, als dem sonstigen demotischen Siebener.
28) Birch: On two egyptian tablets of the Ptolemaic period X). 8. Aus Versehen ist 80^^ of Tboth (gesetzt.
29) Tbatsächlich lässt der Bbind-Papyrus I p. III mit dem 36. Tage die ,,Caerimonien am grossen Teiche des Chons'' beginnen.
Silmng der phtlos.-t>hilot. Ciaast tom 7. Februar 1874,
or „preparaüoDB". Letzteres Wort bedeutet eigentlicb im* pra^naie und wird im RbiDdpapyras I 2, 7 demotiacb darch telau = "Kb^iü Qngere übersetzt Es ist offenbar, dass diese 70 tägige Frist eio Multiplicat zwischen der Stebeuziibl und der decadischen Woche darstellt, somit als die ursprüaglichere Eiurichtung erBcheint. Eine Ausnahme von der Regel bildet folgender Fall: Tog>i; Tipoviog 'H^axlelov —imij^og, lirjt^og SaQanoZio^^^). Eyetv»^^ tif < eVet l^d^iavw tov xv^iov, ji9vf ß, xal ^eievtrjoey i^ la tjei, /iiji'i Tvßi x, itüv g fti;vijiy dvo, ^fiEQÜv tij xat tTcyij r^ iß tiei, /itjvt 'Aitti^ iß ' '). Die junge T-ä/m7 „die Schlange" blieb also nach dem Sterbe- tag noch 299 statt 70 Tage unbeigesetzt.
Ksist auf unserer Stele leider keine Regierung angegeben. Allein die Vergleichung mit der Stele des Anemho (vergl. den nächsten Abschnitt) des Vaters von Teho, beweist, duss hier nur Ptotemäua II Pbilaäelphus und Ptol. III Euergetes I in Betracht kommen können. Setzen wir nun nach dem astronomischen Canon für beide die Regierungssummen 38 und 25 Jahre au, so wurde Teho geboren unter Pbiiadelphus Jahr 17, Kpiphi 29. Er lebte also unter diesem Könige, da Epiphi der vorletzte Monat des Jahres ist und die 5 Epa- gomenen am Schlüsse zum Mesori zählen, noch 38 J. minus 16 J. 10 M. 29 T. = 21 J. I M. 1 Tag. Er starb anter der Regierung des Euergetes I Jahr 24, Mechir 22, lebte folglich anter ihm 23 J. 5 M. 22 Tage. Zählen wir dazu den vorigen Posten : 21 „ 1 „ 1 „ so erhalten wir als Summe 44 J. 6 M. 23 Tage, während beide Texte obeo
30) Den Streit iniBohen Birch and Do Rouge wegen LButimof dat t in den Namen ^liovr-of, T^avioc nud ^apoTiovzaf 8chlicht«t endgültig ta Onnsten de* Letxteren der Leydner Pap. gnoit., der catpnOT als TranaBcription liefert.
31) B«TDe arohiol. 18&8 Febmar liefert koch die hterogl. Legende, die das JahreBEeichon \ mit sieben S trieben (das 7.) und als Summa „6 Jahre 3 Monate" nmd bietet.
J
Lauth: Die Schalttage des Ptolemäus Wuergetes L 81
die Samme 44 J. 6 M. 29 Tage, dargeboten haben» Es be- steht also eine Differenz von sechs Tagen nnd da bei der Uebereinstimmang beider Texte in der grösseren Snmme, sowie des demotischen Zwischenpostens der 70 Tage, an einen Irrthum des Schreibers so wenig gedacht werden kann, als bei den ebenfalls stimmenden Posten nebst Snmme des Täterlichen Grabsteins, wovon im nächsten Abschnitte mehr, so bleibt nur die Schlussfolgerung übrig, dass die sechs überschussigen Tage der Summe 44 J. 6 M. 29 T. TOD den durch das Decret von Kanopus be- schlossenen Yierjährigen Einschaltungen her- rühren, kurz, dass es die Schalttage der Regier- ungszeit des Königs Ptol. Euergetes I sind.
Da dieser nach dem Canon 25 Jahre regiert hat, so unterliegt diese meine Thesis vorläufig keiner Beanstandung. Anders aber gestaltet sich die Sache, sobald man die ein- zelnen Schaltjahre namhaft machen soll. Ich bleibe vorder- hand bei meinem oben nur hypothetisch aufgestellten An- sätze, wonach wegen der siegreichen Bückkehr des Euer- getes, die nicht wohl vor 244 angenommen werden kann, der Sehalttag für die Tetraeteris 235—242 um 2 Jahre antidpirt'^) also auf 244 verlegt wurde. Dann hätten wir als weitere fünf Schaltjahre: 240, 236, 232, 228, 224 y. Chr. In der That sagt die Tanitica nirgends, dass das Jahr der Abfassung des Decretes: 238 t. Chr. ein Schalt- jahr sei, wie man scheinbar mit Recht erwarten sollte. Was ferner das letzte meiner Schaltjahre: 224 v. Chr. betrifift, so fallt es jedenfalls in den Rahmen des letzten Lebens- jahres Yon Teho, da dieser 8 Tage vor der Mitte des 24. [ierungsji^res von Euergetes"), also im Laufe des Jahres
32) Lepsins setzt ähnlich den Schalttag in je das erste Jahr seiner Qoadriennien z« B. 288. Aach unser Kalenaer antioipirt den Solialtti^ um 222 Tage.
38) Nach dem CSinon regierte er vom 24. October 247 bis zum 1 8. October 222, also 25 Jahre.
[1874, 1. Phil. bist. Cl.] 6
82 Sititmg der phih«-phHdl. Ütatae vom 7. Felirunr /K74.
223 Y. Chr. geBtorbeii iat. Im Betreff der Wahl gerade der Mitte des QuadrienniuniB iet es mir oben wahr* scfaemlicb vorgekonnDeo , daes man auch als Eioscbaltaags- stelle des aus den vier Vierteln erwacbsenden und bienach also zur Hälfte aoticipirten Schalttages unter Eiiergetee die Jahresmitte nach altpiiaraanischem Vorgauge gewählt haben wird. Dass überhaupt nicht mehr als sechs Schalt- tage unter Guergetes zur Anwendung kommen konnten, liegt einerseits in seiner Regierungssunime von 25 Jahren be- gründet, andererseits werde ich sofort eiueu monumentalen Beweis beibringen, dass mit der Thronbesteigung des Philo- pator die dessfalsige Külender-Neuernng seines Vaters und unmittelbaren Vorgängers Euorgetes I wieder aufgehoben wurde, aus welchen Gründen, mag hiur unerörtert bleiben — und folglich der Siriusaufgang auf den 7. Payni des rehabilitirten Wandeljahres gesetzt wurde, wie es die Natur der Suche erheischte. Sonderbarer Weise muss ich diesen Beweis aus der Grabstele des Vaters unseres Teho schöpfen.
Die Orabstele des Anemho. Dieselbe Wiener Sammlung besitzt ein zweites Denk- mal, das Brugech ") bereits veröffentlicht und mit sach- gemässen Bemerkungen bedacht hat. Nachdem der Text in 10 Zeilen die zahlreichen und interessanten Titel des betreffenden Beamten , sowie die Namen seiner Eltern : Nes-seti und Nef ersebek'*) (so auch im demotischen Thfiile, nicht Tanefersebok (Brugech) aufgeführt hat, fährt er fort;
84) Recu^il I pl. IX pag. 16-18.
86) Birch bat in der Zeitiohrilt für ägypt. Spr. eine Variante des Namens der Königin ixtfiio^eif (Sßmi'ötfpvc) Sebaknofru mit- getbeilt, wo unter dem Krokodil Sebek ebenfalU ein nicht eu lautir- ende« |_| bU Unteraati encheint.
LauOi: Die SchalUage des PtokwUjue EuergeUs J. 83
Pkiii^foi?
1 1 1 I I Jcns I -A in ' VIP M I
„A^nemho der Se(te)in war geboren im Jahre 16, Monat
en Ba
3^0
äi=«=n^r° ^•*'ii/inlsS-K °
^ G>ci.-^^
Pharmati, Tag 3, des Königs Ptolemaios'^). Sein Todestag : J. 5 M. Pbarmuti Tg. 26, des Königs Ptol. Philopator. Seine
Lebensdauer auf Erden: J. 72, M. 1, T. 23/'
Der dazu gehörige und unmittelbar darunter stehende Text in demotisoher Schriftart'^) sagt das Nämliche so:
„Der Setem A n e m h o , geb9ren von Nef ersebek. Sein
Geburtstag: Phamenot Tag 3. Man brachte ihn in sein
Grab im Pbarmuti Tag 26. Seine' Lebensdauer : Jahre 72,
Monat 1, Tage 23." Die Computation lasse ich durch Brugsch
sagen : „Le roi premierement designe est celui que les Grecs
Domment Ptolemfe (I) Soter (I); le deuzieme roi cite:
Ptolemee (IV) sumomme Philopator (I). Si donc notre
personnage naquit Tan 26 le 3. Phamenoth de Ptolemee I,
qoi regna 20 ans selon les listes royales, il vecnt encore
4 ans 5 mois 27 Jours sous ce roi. Ajoutez-y les 38 et
25 ans de ses successeurs Ptolemee II (Pbiladelphus) et III
(Eaergetes) et les 4 ans 7 mois 26 jours jusqu' ä sa mort
soas le quatrieme Ptol6mee, et vous verrez que le total de
sa duree de vie c. ä d. 72 ans, 1 mois et 27 (lies 23)
joars est justifie d'une maniere bien predse'^
36) Bmgsch's Ijesung: Pondoaloumoujoui darfte jetzt wohl mofsugeben sein.
37) Vergl. Tafel, 2.
84 Siieung der philos.'philol. Glosse vom 7. fehruar 1674.
In der That, ee kann keine Addition besser stimmen und da die demotische Summe auch hier aufs genaueste mit der hieroglyphischen harmonirt, so ist an eine Irrung nicht zu denken. Für unsern vorh'egenden Zweck leistet uns aber die Grabstele des Anemho noch weitere Dienste. Zuvörderst werden wir dadurch gesichert, dass die Regierungsjahre auf der oben besprochenen Stele des Teho wirklich dem Phila- delphus und EuergetesI angehören, da letzterer (Teho) der Sohn des ersteren (Anemho) ist. Sodann weist der Um- stand, dass die Summe 72 J. 1 M. 23 T. genau zu den Posten stimmt, mit gebieterischer Nothwendigkeit darauf hin, dass hier keine Schalttage anzusetzen waren, weil eben mit Philopator die Kalender-Neuerung des Euergetes sofort wieder aufgehoben wurde. Denn Anemho, der Vater, überlebte seinen Sohn Teho um 6 J. 2 M. 9 T. Es lässt sich also auch leicht berechnen , in welchem Lebensjahre Anemho stand, als ihm sein Sohn Teho geboren ward und ebenso, wenigstens approximati?, die Zeit seiner Verhdrathung mit der grossen Erheitrerin (aki-t) des Ptah: Heranch. Um dieses mit ziemlicher Sicherheit thun zu können und um einen weiteren illustrirenden Beleg zur Tanitica zu liefern, will ich noch ein drittes Denkmal der nämlichen Familie vorftihren, das ebenfalls der Wiener Sammlung angehört.
Die Orabstele des Harmachu.
So wie die zwei Yorhergehenden Wiener Grabstelen (des Teho und Anemho) ursprünglich aus dem Serapeum von Saqqa- rah (Memphis) stammen, so auch eine dritte, auf den Namen Har-m-achu lautend , der bekanntlich auf der Stele des grossen Andro-Sphinx bei Gizeh griechisch durch *^9f^x^{'^s) transscribirt ist. Da mit Rücksicht auf die Erklärung oder Illustration der Tanitica (lin. 23—33) die Titel des Betreffen- den hier wichtig sind, so gebe ich mein ganzes Ezcerpt:
Lauth: Die Schalüage rlt8 PMemäm Ektergetes I. 85
„Der göUl. Vater, gottliebe, wa-Prophet des Ptah ur-baia, der Sem des WoUgeruchs des Ghftr; Schreiber des Ptah
A I ! I o ^:::l^ i o 1 1 a 1 1 1 o
der 5. Phyle, Herr Yom Anho des Tages 15 der 5. Phyle,
Herr der Emast des Tages 15 der ersten Phyle, Herr und
Prophet des Scheschachshauses, Prophet des Horus
m m ^ n 1 i 111 '^Imv-^'kS
▼om Seheschachähaose, Prophet d. Oötter d. Scheschachshauses, Sescht (Secretär) des göttlichen Heiligthums in Memphis,
-^5^ J CD ö — «— ti£^ ü <=> 1 4-
der anblicken darf den geweihten Ort der Nekropolis, der
Grossfürst und Meister der Kunst: Har-m-achu, der selige.
Sohn des ürossfurfursten, Meisters der Kunst, des Setem
39) Im Originale mehr entenartig.
86 SiUmg der philos.-philol. Cbute txm 7. Fetimar 1874.
sk!i=r ^ ^ Uli IL
Anemho selig; der Name seiner Hutter, <Ier groueo
ErheitreriD des EHah : Heranch (her) sdig."
Es kann natürlich nicht meine Abdoht sein, hier eine detaillirte Erklärung der Titel Torzanehmen ; dies wSrde eioe Bpezielle Arbeit erfordern. Nur üher einige derselben sind Nachweismigen, resp. Vergleichnngen beucadehen.
Was zanacbst den Titel ^ betrifft, dessen Varianten z. B. auf der Stele des Anemho lin. 2 mehr der Hieroglfi^e -ipj gleichen, die auf einer andern Wiener Stele (59 des RÜieferhet) wirktich vorkommt, und, wie stets, mit dem Gotte Ptah in Verbindung steht, l'^f'S «"'«'* ««» *<« -P*»* „göttlicher Wa und Priester des Ptah" (oder Wa-Prophet des Ftab), so bietet die dazu gehörige demot. Inschrift**) die Uebersetzung nuter sein n pa-Ptah r6» n Metmufi „Göttlicher Sem des PtahhauBes, des sädlichen von Memphis" wahrend der dem hierogl. Texte der Harmachnstele bet- gegebeue demot. Text*') dafür dreimal die Uebersetzoog uer-schepau-t aufweist (vei^l. auch das Demotische des Teho). Jenes demot. V\^ sonst auch H^. geschrieben, wird seit urältester Zeit gerade so vor Ptah gesetzt, wie X|; beide decken sich also dem Begrifi'e nach, ohne lantlidi zusammeD
40) Siebe Tafel, 4. Im bierogrl. Texte enoheint ftuoh die 6nipp« gjü ^ Ba-kot (Alexandm).
41) Siehe Tftfel, 3.
Lauth: Die Schalttage des PtoUrnäus Euergetea L 87
za fallen. Ich habe in einem Artikel^*) gezeigt, dass diesem Stamm sem die Bedeutung „gross*' zukommt, und desshalb den Namen Ssf^ifi^g der I. Dyn. wegen der vielfach be- legten Bednplication semsem — auch sems — mit der Ueber- setzung des Fratosthenes : Tte^iüaofieli^g „der mit überscbwäng-
lichen Gliedmassen" zusammengebracht. Dazu stimmt J^ «%», oTCi magnitudo, otct praestare, besonders aber das
Compositum J%^^^^t^") "^®' S^^^^ Mann". Es
ist also der Wa oder Sem (mit dem Pantherfell) jedenfalls der Hohepriester in Memphis, wie der „Erste Prophet des Ammon" die höchste priesterliche Würde in Theben^^) be- kleidete. Da nun ferner die Schreibung setem statt sem sowohl demot. als hierogl. unendlich oft vorkommt — so auch auf unsrer demot. Version der Inschrift des Harmachu
— so fragt es sich, ob auch der ^ setem unseres Textes
den auditor (c(ot€m) oder als Variante wieder den se(te)m
(cgoAi excellens, eminens) bedeutet Da sem den höchsten
priesterlichen Titel darstellt, so begreift es sich, dass der Vater Anemho unmittelbar vor seinem Namen und da wo er kurz titulirt werden soll, auf allen drei Familienstelen nur mit sem (setem) eingeführt wird.
Jetzt können wir die demotische Inschrift am Sockel der Harmachu-Stele etwas )l>e8ser verstehen; sie bietet die synonymen Titel:
42) Zeitschrift for ägypt. Spr. uDter £f(U(A\pfts. loh erinnerte dabei an den Wechsel des Qt2^ um mit ^i;| gadoi gross. Beinisoh (Mirsmar p. 234, 8) erwähnt auch la/iog = v^of,
43) Gf. Priese : Monnmm. pl. XXX col. 8. Leemans Monn. Pap. Leyd. 1 366, d. 1. wo -^ ]^^ljK ßöben ^^rS als Parallelismns.
44) YgL meine Abhandlang über den Hohepriester Bokenohons.
<5^
n
j^^pBB'tf Prophet des Ptah pe her^^y ^^J^^^er Geister^'), Prophet des Ptah, Setem —d Oer-8chep»ot des Osiris, Prophet des Ptah, üer- dbepmut der göttlichen Rechnang (heseb), der wieder (nem)
ßjatlebende."
Hierin fehlt also sogar der Name des Harmachu. Dess-
halb darf es nicht befremden, dass auch der Titel n char onübersetzt geblieben ist Ich hatte anfanglich geglaubt, weil unmittelbar darauf folgt, es mässe cha er an „erhoben zum Schreiber (des Ptah)*' gelesen werden. Allein die Pa- rallelstelle in der Inschrift des Anemho lin. 2 bietet ^ |^ ]
wo man doch nicht übersetzen durf: „erhoben zu den beiden Göttern Euergeten^'. Weil nun auch an dieser Stelle wie auf der Stele des Harmachu, dieses chSr sich unmittelbar an die Gruppe neUm-sH (noTCM-CToi) „Wohlgerudi" an-
schliesst, so ist die ganze Stelle so aufzufassen, dass Harma- chu wie sein Vater Anemho als ,ySem (setem)- Priester des Wohlgeruches oder Weihrauches der (Aor-Pfanne (Xigiip? acerra) bezeichnet werden sollte. In der That sieht man die mit dem Pantherfell bekleideten Sem -Priester häufig Weihrauchkömer in die an einem Metallarme angebrachte Pfanne (char) werfen.
Bei den Varr. der Schescha-cha-Lokalität unserer In- schrift will ich mich nicht aufhalten ; nur so viel sei bemerkt, dass die Stele des Anemho lin. 8 zweimal dafür die constante
Schreibung **^ Q sescht-efhcha bietet. Die Abweichung erklärt sich daraus, dass man auf der Stele des Harmaehu
45) In der Roiettana lin. 2S Mitte entspricht dem damot. pe mUer her das grieoh. o KVQuitatog t^or.
4e) Damach ist auf der Stele des Anemho lin. 2 Mitte ^iii
sa ^111 haiu and das n&ohsie Zeichen sa ^ 90(U)m zu corrigiren.
LcuM: Die SchaJUage des PtoUmäua Euergeiea L 89
die Yolksthümlichere^^), dem kopt. ogoTiyT-ti-'iyd^i = orjxog,
(localiis in qao idola collocabantar) entsprechende Schreibung anwendete. „Der Prophet der Festgarderobe'' wird die richtige Uebersetzung sein, da dem sescht häufig das Determinativ ^^ der Binde beigegeben ist und ^^ot auch
ceryical bedeutet. Zwei weitere Titel des Harmachu ver- dienen noch Erläuterung. Der erstere lautet An-ho ,,Schön- g^icht des Tages 15." Da über die Phonetik des Auges^^) mit oder ohne Ellipse = an wegen der kopt. Transscription des Pap. gnost. zu Leyden : ^n kein Zweifel obwalten kann and im Kopt. p-^^tt videri, p-^n gratus placitus, p-d^ttd^i pulchram £icere, placere, bonum esse, erhalten sind, so sind wir wenigstens über die ursprüngliche Bedeutung des Titels Anho, der bedeutsam an den Namen des Vaters Anemho anklingt, vergewissert. Bedenkt man jedoch, dass der damit
parallelgehende Titel V^ J] Var. 4-n' '^ em-ast, am-
astS ,,der am Platze, der Grosse am Platze'^ besagt, und ebenfalls mit „Tag 15" verbunden erscheint, so dürfte sich der B^riff „Jour-habender" oder dergleichen empfehlen und jenes 'än-ho als graphische Anspielung auf den Namen des Vaters, der dieselbe (astronomische?) Charge am 15. des Mondmonats bekleidete, statt des älteren und gewöhnlichen ^^^ un-ho = cotig^ patefacere, oTiotio adparere zu fassen
sein, 80 dass wir auch in diesem Titel nur den Begrifif apparitor hätten.
47) Die Inschrift des Harmachu ist überhaupt uachlässiger ge- schrieben; sie bietet z. B. dreimal das Zeichen k za dar, wo die
des Anemho richtiger y hon „Prophet" setzt. Ist aber Ä za
richtig, 80 dürfte ebensowohl an Qtoe murus, als an.otQI navis gedacht werden, weil za ohne Determinativ ist.
48) Cf. A^/'/wsj]^ = vty am, ain oculus.
90 SUnmu der phiios.-iihilvl. tlam vuu, 7. Feicrwr 1874.
Wichtiger aber für UDsern Zweck ist die Grnppe y ""^ wobei vneDtschieden bleiben darf, oh nebt als Ädj. zu diesem fio-M 5 „aller 5 Pliylen" oder als hh6 douiinua zum Folgen- den zn ziehen sei. Ersteres ist indessen unwabrscheiulicb, weil wir sonst Yf^^ analog ,jeder ersten Phyle" über- setzen müssten. Vor allem gebe ich zu bedenken, dass die Striche der Ziffer 5 nicht wie sonst '.'.', sondern beide Male i'i'. geschrieben werden, am eben anzudeuten, dass ddr fönfte Strich und somit die fünfte Phyle als Neu- eruDg hinzugekommen war. Gerade über diesen Punkt gewährt uns die Tanitica die befriedigendeten Aufschlüsse; hören wir den unsren Titel illustrirenden Text ausführlich ;
Lin, 23 — 33 (nach Aufzählung der aaf das Priestertham der Eaergeteu bezüglichen Vorschriften) : „Es soll aber zu den jetit bestehenden vierPhylenV des CoUeginms der Priester in jedem Tempel noch eine andre hinzu- geschaffen werden mit der Benennung „fünfte Phyle V der Götter Eaergeten, da es ja durch glückliche Fügung sich ereignet hat, dass auch die Geburt des Königs Ptolemäus, des Sohnes der Götter Adelphen, erfolgt ist am fünften**) DioB, die ja vieler Güter Ursprung geworden ist bei allen Menschen. Es sollen aber zu dieser Fbjle gezählt werden die seit dem ersten Jahre (217) Priester Gewesenen und jene welche bis zum Monat Meeori im 9. Jahre werden hin- sugeordo et werden, sowie ihre Nachkommen für immer. Die- jenigen aber die schon früher Priester waren bis znm ersten Jahre, sollen gleicher Weise in den nämlichen Phylu-n Ter* bleiben , in denen sie sich früher befanden , ebenso ihre Nachkommen von jetzt an in dieselben Phylen eingereiht
49) Eine äbnlicbe wohldieuerisclie Spialarei liegt weiterhin ij 1 iias (tinet) Blktt 9ria{.
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Lauih: Die SeheMagt des PMemäua EuergeUa I. 91
werden, in denen ihre Väter sind. Statt der zwanzig Priester- rathe (ßovlmrrm Uqiwv) welche jetzt gewählt werden jährUch ans den hergebrachten yier Phylen, aas denen man fünf von jeder Phyle nimmt, soll es fortan fihif und zwanzig Priesterräthe geben, indem ans der fünften Phyle der Oötter Eoergeten weitere fünf hinzogenommen werden. Es sollen femer Theil haben auch die aas der fünften Phyle der Götter Energeten an den Beinigungs- und allen sonstigen Tempelgebuhren. Auch soll ein Phylarch über dieselbe ge- setzt sein in der nämlichen Weise, wie es auch bei den andern vier Phylen der Fall ist".
Ich denke» dieser ausfuhrliche ja weitschweifige Text bedarf keiner Erläuterung. Wir schliessen sofort daraus, das8 unser Harmachu wie sein Bruder Teho, unter Euer- getea I, priesterliche Funktionen bekleidet haben muss , weil auf seinem Ghrabsteine, dessen Setzung in die Regierung des Philopator fallt, da er seinen Vater Anemho als ?erstorben erwähnt, ihm der hohe Bang eines „Ptahschreibers der fünften Phyle'S eines „Herrn der Präsenz für den Tag 15 der 5. Phyle'*', sowie eines „Herrn des Jour-habens am Tag 15 der 1. Phyle^^ zugeschrieben wird.
Auch geht aus dieser Thatsache hervor, dass die „5. Phyle, der Götter Energeten '^ mit der Thron- besteigung des Philopator nicht abgeschafft warde, wie der Schalttag im bürgerlichen Ka- lender. In der That hat die Greirung der 5. Phyle mit der Kalender-Neuerung des Euergetes nichts zu schaffen und wir treffen daher auf manchem Denkmale der späteren Zeit die fünfte Phyle fort und fort in Function. Aber vor dem 9. Jahre des Euergetes wird dieselbe nir- gends erscheinen.
Die drei werthvoUen Denkmäler der Wiener Sammlung, die ich bisher besprochen habe, gestatten uns jetzt, folgende Corollare zu ziehen:
92 SüttiMg der phUos^^hUoh Classe v&m T. Februar 1874.
1. Der Ptolemäisohe Canon, der aaf astronomische Beobachtungen gegründet ist, erhält für die ersten drei Ptolemäer bezüglich der angegebenen Begierongs- dauer von 20, 38, 25 Jahren eine starke Bestätigung.
2. Das Deoret von Kanopos (Tanitica) empfingt da- darcb eine erwünsdite praktische Illustration in aeiaen wichtigsten Theilen.
3. Die sechsmal erfolgte Einschaltung eines Tages unter Euergetes ist bewiesen; die Schaltjahre 244, 240, 236, 232, 228, 224 wahrscheinlich gemacht.
4. Die mit des Philopator Thronbesteigung eingetretene Reaction und Wiederaufhebung der kalendarischen Neuerung des Euei^etes ist erhärtet.
5. Die siebzigtägige Einbalsamirungsperiode an einem soliden Beispiele gezeigt.
6. D^ Fortbestand der 5. durch die Euergeten ein- geführten Phyle genügend begründet.
Die Kalender-Neuerung unter Augustus.
Debereinstimmend mit der vonLepsius^^) ausgesprochenen Vermuthung „es trat wahrscheinlich schon mit der Thron- besteigung des ^hilopator die Reaction gegen dieselbe ein'' nämlich gegen des Euergetes Kalender -„Reform*', habe idi schon früher '*) die bestimmte Behauptung ausgesprochen: „Thatsächlich ist die im 9. Jahre des Euergetes ge- troffene Einrichtung bald wieder beseitigt worden". Ich denke jetzt den Beweis geliefert zu haben, dass wirklidi mit der Thronbesteigung des Philopator I die Neuerung seines Vorgängers wieder aufgehoben wurde. Wenn ich mich bis* her mit Vorliebe des Ausdruckes Kalender' ^^Netierung^^ statt „Reform" bedient habe, so wird dies kaum die Billigung
60) Deoret t. Kanoput p. 14.
51) Zeitschrift f. ftgypt Sp. 1868 Aprilheft p. 44.
tauih: tHt Schatttage des iHoUmäus Euergetea I. dS
meioes Freaudes Rösler ^') finden, der anter andern das ägpyptische Wandeljahr „eine der schlechtesten Jahresformen'^ nennt Allerdings ist eine Fixirung des vagen alle Jahres- zeiten Monate und Tage des natürlichen Jahres successive durch wandelnden altägyptischen Jahres zu 365 Tagen (ohne Einschaltung) als ein Fortschritt, eine Reform, ja als eine wirkliche Verbesserung anzusehen — wenn nur nicht für Aegypten die bedeutsame Ausnahme geltend gemacht werden uiüsste, dass hier das Wandel jähr unzertrennlich mit der Sothisperiode yerbunden war, so dass die Aegypter hierin eine untrügliche astronomische Aera besassen. Ich bleibe daher bei meiner Bezeichnung „Kalender- Neuerung'^, sowohl für die Einrichtung des EuergetesI, als auch die des Augustus, weil beide in ihrem Wesen iden« tisch sind. Es springt jetzt auch sofort in die Augen, warum nun von Augustus an als Ersatz der astronomischen die historische Aera (des Augustus) geltend wurde, wie nicht minder, dass die Thatsache der Kalender-Neuerung unter Augustus die vorangängige Aufhebung der Schalttage des Euer- getes gebieterisch voraussetzt. Die Epoche jedoch d. h. das bestimmte Jahr und den genauen Tag der Kalender-Neuerung des Aagustus betreffend, herrscht noch immer die grösste Unsicherheit. Statt weitläufiger Citate will ich die dessfalsige Ansicht des so bändig und klar darstellenden Lepsius^') hersetzen: „Einnahme von Alezandrien am 3. August 30 (nach der falschen Rechnung der Pontifices am 1. August)« Das feste Alezandrische Jahr, von Augustus eingeführt, beginnt am 29. August, weil die Pontifices im Jahre 30 am l.Thot in Rom irrig den 29. statt des 31. August zählten, was später berichtigt wurde/'
52) ,J>eT jnlianische Kalender und die Inschrift von Tanis'* Zeitschr. f. ösierr. Gymn. 1869, 1. Vergl. Lepsius in der Zeitsohr. f. s^rypt. Spr. 186^ p. 77.
58) Chronologie d. Aeg. p. 10 der synoptischen Tafeln.
^
94 Siieung der phüos.-phüol. Glosse vom 7. FdmMur 1874,
Es ist äbrigens nicht recht ersichtlich, wie die |[aleiider- NeoeroDg unter Augustus nothwendig mit der Einnahme Alexandria's zusammenhängen müsse. Allerdings, so viel ist klar, dass die ägyptische Priesterschaft dem Augustus sich Aoalog gefällig oder wohldienerisch zeigen wollte, wie früher dem Euergetes aus Anlass seiner siegreichen Heimkehr vom asiatischen Kriegszuge, wie denn überhaupt die Idee zur Aenderung des bisherigen Wandel-Kalenders unter Augustus offenbar durch den geschichtlichen Präcedenzfall des Euer- getes I heryorgerufen worden ist. Verhält sich dieses so, dann müssen wir noch eine weitere Analogie der beiden Fälle Yermuthen : so wie für das Decret YonKanopos (Tanitica) die üoincidenz des Siriusaufgangs mit dem ersten Tage eines Monats im Wandeljahre (Payni) massgebend war, so musste der Verlegung des als Schmeichelei gemeinten Kalender*No- vums unter Augustus auf ein späteres Jahr als das der factischen Eroberung, irgend eine kalen- darische oder astronomische Coincidenz zu Grunde liegen. Ich werde diese Hypothese zur That- sache erheben und hiedurch zur Chronologie einen weaent- lichen Beitrag liefern.
Zuvörderst handelt es sich darum, das Jahr zu er- mitteln, in welchem die Kalender-Neuerung des Augustus getroffen wurde. Da im koptischen Kalender fort und fort bis auf unsre Tage in Aegypten der L Thoth immer dem 29. August entspricht — mit selbstverständlicher Aus- nahme desjenigen Jahres jeder Teträteris, das unmittelbar auf das Schaltjahr folgt — so muss auch die ursprüngUche Einfahrung der durch Nichts unterbrochenen Aera des Augustus als Epochentag den 29. August aufweisen und dieser dem 1. Thoth entsprechen.
Nach meinem von mehreren Gelehrten^^) vertretenen
54) Yergl. Gampach und Junker und schon Des Yignoles.
L<nUh: Die &ihaUtage des PMemäus Euergetes L 95
Aasatze dar nächsten Epodie des sothischen Gyclns : 136 bis 139 nach Christas, entspricht der 1. Tboth des Wandeljahres dem 29. August während des Quadrienniums 25, 24, 23, 22 Tor Christas. Dasselbe Besultat erhält man, wenn man auf Grand der Tanitica den zwischen dem 23. October (Epoche des Decretes Yon Eanopus) und dem 29* August yerstrichenen Zeitraum =23 + 30 (Sept.) + 2 Tage = 55 Tage mit 4 multi- plicirt, da sie ebenso vielen Qnadriennien, also 4x55 = 220 Jahren congruent sind. Zieht man diese 220 Jahre von 245 V. Christus ab, so bleibt 2 5 vor Christus als das Epochenjahr der Kalender-Neuerung unter Augustus. Da wir femer wissen, dass die Aegypter seit EinftihriiDg des fixen Kalenders je einJahr vor dem Julian. Schaltjahr ihre Einschaltung vornahmen, so müssen wir räck- wärts von dem Jahre der Gebart Christi (=1) aufsteigend, die Jahre 2, 6, 10, 14, 18, 22 als Schaltjahre ansetzen, so dass also, genau nach der Theorie, die erstmalige Einschaltung eines 366. Tages in Aegypten unter Augustus auf das vierte Jahr des betreffenden Quadrienniums fiel : (25, 24, 23) 22. Ob als 6. Epagomen oder an einer andern Stelle des Jahres z. B. als Fest des Augustus nd^-n-d^Md^oTe = potentissimus,
soll vorderhand nicht untersucht werden.
Man könnte meine Oleichung: ,,29. Aug. = 1 Thoth 25 — 22 V. Chr." eine petitio principii nennen, obschon sie ein rechnerisches Ergebniss ist, eruirt auf Grund einer mehr- fach b^Iaubigten Gleichsetzung des heliakalischen Sothis* anfangs mit dem 20. Juli. Allein die Bestätigung durch einen classischen Astronomen von Fach wird doch noch sdiwerer in's Gewicht fallen. Zu diesem Behufe entnehme idi der berühmten Angabe des Mathematikers und Astro- nomen Theon^^) von Alexandria dasjenige, was sich auf die Aera Augusti bezieht. Theon findet als Tag des Siriusauf- gangs im 100. Jahre seit Diocietian (= 284, also 384 nach
55) Lepmus: Königsbuch p. 123'; ChroDologie d. Aeg. I 169.
96 Sitami/ der phiUK.-fhaol. Clatse vom 7. FOrrvar 1074.
Christas) den 29. Epipbi = 23 Ju)i für Alexandrieo. Dies gibt für den Normalparallel, der uageföhr 3 Grade südlicher lag. den 26. Epiphi = 20. Juli. Die damals (884 nach Christus) seit Augustus verflossenen Tetraeteriden (i'os fott TEiQuetrifldas) gibt er zti 102 an {maag fß = 102). In der Tbat ergibt die Summirang 384 n. Chr. + 26 v. Chr. 409 Jahre, welche Zahl mit 4 diridiit, die 102 QnadrieDDien oder Tetraeteriden erklärt, und bestätigt so indirect den Ansatz der Aeren-Epoche auf dus G. Jahr des Augustus (25 V. Chr.) (ä^t Avyovazov würde Theon gesagt haben, da er fär 284 n. Chr. den Ausdruck A^^ig ^vyovarov setzt). Die Sache bat iudess einen kleinen Uaken. Neben c^aag eii bietet derTextnoch iatttov xa. Diesen „Rest 21" bezog fiiot^^) scharfsinnig auf die Differenz der Jahre zwischen Julius Cäsar's und des Auguatns Kalender-Reform. Allein Lepäius (Königsbnch 1. 1.) machte mit Recht dagegen geltend, diiBs diese Notiz, auch veno sie ganz richtig wäre, doch liieher nicht gehört und anf jeden Fall den ZusammeDhang des Satzes widersinnig nnterbricbt, Er selbst erklärt Xomor y.a als Randbemerkung, die später irrig in den Text ge- kommen und fasst sie als — xai a (hog = + 1 Jahr) oder als y.cii f „und '/* nämlich Tag" oder endlich als Xotnov a ,,Uest 1 Jahr". Letztere Conjectnr kommt der Wahrheit um uächsten. Ich nehme die Sache, wie sie liegt, folglich iMtnov jta als integrirenden Theil des Textes und übersetze „Rest --1- (auch xat) 1 Jahr". Nämlich mit Hinznrecbnang des termiDus ad quem d. h. des Jahres 384 o. Chr. zu 25 V, Cbr. eihält man als Quotient der Division mit 4 diu 102 i er^iitiijiiidag + Rest 1 Jahr*').
aci Snr divers pointi p. 181 note. In der That citirt Ijatronne (ßecueil d. iDicript. grecq. II 139) eine Inachrift aaa Philu, wo itui( x' (90) lov xtil f' in Berng auf A.Qg<wtaB gesetzt ist.
67) Tielloicbt gebSrt die« xsin dem nftchstfolgenden täUiiioyia and ist als xataltlnorta b«i Mlchor OrioitÄt nicht saffalleiid.
LmUh : Die Sehämage det PMetnäus EuergeUs L 97
Die Bedeatnng 4" (plus) bei Additionen für xoi (hier als Abbreviatur bloss x) erscheint auch sonst, nnd ich kann im Aegjptischen den analogen Gebrauch des x=7i ka aufzeigen. Jetzt schliesst sich auch das Folgende ungezwungen an Xomw '/.ar ra XelTtovra, r^fiiQag x%d'\ vccvtag änolvaoy ano Gcid^^^) (sie!), didovfeg endartfi firp^i T;fieQag X\ ctfg evQiaxea&ai %iy miTokfjv ini to**) JujuffXrjtiavov 'E7tig>l %^\ Wirklich führen die 329 Tage des Restjahres 384 n. Chr. auf den 29. (des IL Monats) Epiphi. Dass diese fär Alezandrien richtige AosetzuDg des heliakalischen Siriusaufgangs um 3 Tage hinaufzurücken ist, um für den Normal-Parallel der Sothis gültig zu sein, ist oben sdion bemerkt.
Der Ansatz 1. Thoth = 29. August im Jahre 25 ▼. Chr., wo am 26. Epiphi der heliakaL (Fräh-)aufgang des Sirius statt- gründen *^), könnte trotz aller bisher vorgeführten Zeugnisse doch Yielleicht nur die conventionelle Annahme der alexan- drinischen Astronomen sein. Es fehlt also zur vollen Evidenz noch ein urkundlidier Beweis aus der Regierungszeit des Augnstus selbst. Ich schätze mich glücklich, denselben liefern zu können.
Der Sothisaufgang am 26. Epiphi im Rhind-
Papyrus«») H.
Die Grundlage meiner Berechnung, nämlich das Lebens- alter des hier in Betracht kommenden Ehepaars, gebe idi, um allen Verdacht einer Zustutzung der Quelle zu Gunsten
58) Man bemerke dass „der erste*', wohl gemeint aber nicht ausdrücklich genannt ist In ägyptischen Quellen werden wir dieser BezeichnnngBweise öfter begegnen.
59) Yielleicht q oder J (wiederholt) als J:=6erra zu ergäDzen.
60) Siehe Junker: Die ägypt. Sothisperioden p. 82.
61) Of. Bmgsch: A. Henry Bhind's Zwei bilingne Papyri. Hiera- tisch nnd demotisch. Leipzig 1665 bei Hinricfas.
[1874, 1. PhiL hist GL] 7
98 Sitzung der phüas.'phüol, Glosse vom 7, Fettruar 1874.
meiner Hypothese vorweg abzuschneiden , mit den Worten Brogsch's (Zur Einleitung p. V):
„Die beiden Papyri (zu Abd-el-Qurnah aufgefunden) be- ziehen sich auf zwei yerschiedene Personen, Mann und Frau, deren Name, Abstammung, Rang und Lebensepoche genau und meistens sogar zu wiederholten Malen angegeben sind. Der Mann, Gouverneur von Hermonthis und Commandant der dort stationirten Truppen, hiess Sauf ... die Frau Tanua. Er ward geboren unter Neos-Dionysos und lebte unter dessen Regierung 16 Jahre, 9 Monate und 4 Tage; unter Cleopatra 22 Jahre; unter des Kaisers Augustus Re- gierung bis zu seinem Todestage 20 Jahre, 10 Monate 10 Tage. Die Rechnung ergibt richtig, wie der Papyrus es meldet, für seine Lebensdauer 59 Jahre 7 Monate 14 Tage."
„Seine Frau Tanua war gleichfalls geboren unter Neos« Dionysos' Herrschaft. 10 Jahre 3 Monate 10 Tage lebte sie unter derselben, 22 unter Cleopatra. Bis zu ihrem Todes- tage hin unter Augustus 20 Jahre 11 Monate 28 Tage. Ihre Lebensdauer betrug demnach 53 Jahre 3 Monate und 8 Tage. Die beiden letzten Zahlen sind durch eine Lücke im Papyrus ausgefallen. Sie starb demnach 48 Tage nach dem Tode ihres Mannes, wie es wiederum richtig der Papyrus angibt". So weit Brugsch. Prüfen wir diese Ansätze an den beiden Originalen selbst.
Um mit der letzten Angabe zu beginnen, so sagt der Text des zweiten bilingnen Papyrus pl. XXVI zur Tanua : ,|Du gingst ein in die Unterwelt, als du warst 48 Tage die Wittwe deines Ehemannes". Da nun dieser nach dem ersten Papyrus pl. n u. III am 10. Epif^hi, und die Tanua nach dem zweiten Papyrus pl. XXV am 28. Mesori desselben 21. Regierungs- jahres von Augustus gestorben ist, so sieht man sofort, dass die Differenz vom 10. Epiphi bis zum 28. des nächsten Monats Mesori, also 20 + 28 = 48 Tage aufs Genaueste zu den 48 Tagen der Wittwenschaft stimmt.
Lauth: Die SehalUage des PkHemäua EuergeUe L 99
In Bezug anf die Lebensdauer der Tanoa kann ich mit Bragsöh's Ansatz: 53 J. 3 M. 8 Tage (letztere beide ergänzt) nicht ganz übereinstimmen, da beide Schriftarten deutlich
54 J bieten, die auch Brugsch in seiner Uebersetzung
richtig vnedergibt.
Um die Lücke des Textes hinter der Angabe von Ta- nua's Lebensjahren auszufüllen, haben wir ein£ach die Diffe- renz ihrer Oebnrtszeit heranzuziehen. Da der Mann im Jahre 13 am 27. Athyr, die Frau im J. 19 am 26. Pachons geboren war, so beträgt der Unterschied ihres Geburtstages 6 J. 5 Monate (3 + 26 =) 29 Tage. Diese Partialsumme Yon der Gesammtlebensdauer des Mannes
59 J. 7 M. 14 Tage abgezogen 6 „ 5 „ 29 „ bleiben für die Lebens- dauer der Tanna 53 J. 1 M. 15 Tage , und wenn wir die 48 Tage der Wittwenschaft dazu addiren, 53 J. 8 M. 3 T., so dass die Lücke mit „3 Monate 3 Tage'' auszufüllen ist.
Machen wir die Gegenprobe in absoluter Weise: der Mann, geboren im J. 13 des Neos-Dionysos, am 27. Athyr, lebte folglich, da der Kanon diesem Könige 29 Regierungs- jahre zngetheilt hat, unter ihm noch
16 J. 9 M. 4 Tage, unter Cleopatra 22 „ — „ — „ unter Augustus 20 „ 10 „ 10 „
Summa 59 J. 7 M. 14 Tage wie es der Papyrus richtig angibt
So wie nun bei dem Manne das 60. Lebensjahr er- wähnt und mit 7 Monaten 14 Tagen vertreten ist, ebenso ist bei der Frau das 54. genannt, weil mit 3 Monat 3 Tag betheiligt. Denn seit ihrer Geburt am 26. Pachons des 19. Regierungsjahres verflossen ihr unter Neos-Dionysos noch
10 J. 3 M. 5 Tage; dazu die 22 ,1 — „ — }i der Cleopatra und von Angustus 20 „ 11 „ 28 „ also
im Ganzen 53 J. 3 M. 3 Tage,
7»
100 SitMtmg der phüM.-phtfoJ. Clasae mm 7. Februar 1874.
nicht sg J. SM. 8 Tage, wie Bnigflch (vielleicht io Folge eines lapsuB calsmi) ergänzt hat. Die DiSereoz tod 5 Tagen ist aber hier Ton Belang, weil anmittelbar hinter der zer- störten Stelle ein Fragment auftritt mit Angabe eines wichtigen Festes, das auch, scheinbar ebenso zusammen- hangelos, pl. XXI hors de ligne 6 im Papyras des Hannes erscheint. Ich werde diese beiden höchst interessanten Bruch- stucke im nächsten Abschnitte über die Sothis eing^ender behandeln.
Nachdem wir so eine sichere Basis gewonnen haben, schreite ich zor Beantwortung der Frage: Ist in den Bhind- papyri eine Spur des fixen Jahres zo 365'/« Tagen zu ent- declcen? Die obige Rechnung hhit eine solche nicht auf- gezeigt. Aber ofiFenbar ist sie in folgender zum Glncke wiederholten Legende zu sehen. Nach Anführung der In- gredienzien die zur Humificärung gehören z. B. auch des Pracbtgewandes (meneh seh^s) lässt der Verfasser des Textes den Archon Sauif so anreden (pl. III I. X) : „Du kommst hervor
„zu schauen den kleinen Sonnengott im Innern seiner
0) K — .S^cä I »»».B^ IUI S^niii
Udhesnefrn-Barke im Ocean am 26. Choiabü."
Brugsoh**) hat mit gewohntem Scharfblicke die Wich- tigkeit dieser Stelle erkannt und die nothwendige Corrector im hieratischen**) Texte durch BeiziehoDg der einstimmiges Legenden des zweiten Rhiod-PapTToa (pl. XXVII lin. 11) genügend motivirt, anch die claasischen Stellen angelogen, welche beweisen, dass die Sonne des Wintersolstitinms bei
62) HaUriftDX etc. p. 43.
(i3) Aehnlioti bietet der bierogl. Text der Roaett«iu 1. 5 von aDt«n BQit&tt dei demot riobUgen 17. Mecbir den 17. Pb^ophil
LaiOhi Die Schamage des PUiUmäus Euergetee I. 101
deo Aegyptern (die des alexandrischen Kalenders sich be- dienten) nnter dem Symbole eines kleinen Kindes dar- gestellt wurde. Ich fuge den von ihm dtirten Quellen hinzu, dass auch Plutarch de Is. et Osir. an zwei Stellen c. 52 u. 65 b. der Wintersonnenwende gedenkt und zwar an ersterer mit Andeutung der 7 Trauertage um Osiris*^) {enTaxig), indem die durch die Kuh symbolisirte Isis durch das sieben- malige Herumtragen um den Tempel : ^i^rjoig des Osiris genannt, die sieben Tage vom 24—30 Ghoiahk andeutet. Nun ist allerdings schon in altpharaonischen Kalendern das Fest des Ptah-Sokar-Osiris auf den 26. Ghoiahk angemerkt und insofern könnte es scheinen, als ob Brugsch Recht habe wenn er das alexandrische Jahr von Alters her im Gebrauche sein lässt. An der zweiten Stelle c. 65 b. setzt Plutarch die Geburt des yiQTtOTCQottjg (atelr^g xat veaQog) in die Zeit nsQi %ag TQonag xBiiAtnivag. Dies ist der „kleine Sonnen- gott" unserer vorliegenden Legende, dessen Anknüpfung an den alten Ptah-Sokar-Osiri am 26. Ghoiahk für ägypt. Priester und ihre bunte Mythologie keinerlei Schwierigkeit darbot. — In der That entspricht der 26. Ghoiahk des alexandrini- schen Kalenders dem 23. December des julianischen Kalen- ders und dass Jul. Gäsar seine bruma oder sein solstitium hibemale gerade auf diesen Tag ansetzte, beweist ausser vielen andern Quellen die Bemerkung des Servius zu VII Aeneid. v« 720, dass Sol novus proprio 8 Tage vor dem 1. Januar falle, wo in Rom natalis Solis invicti gefeiert werde, sowie der runde Thierkreis von Denderah^'), der die Epoche des römischen Jahres d. h. den 1. Januar acht Tage nadi dem Symbole des Wintersolstitiums d. h. dem 23. De- cember aufstellt.
In so ferne also bin ich mit Brugsch völlig einver- standen, nämlich den 26. Ghoiahk der beiden Rhind-Papyri
64) Yergl. meiDen dessfalsigen Aufsatz in der Zeitschrift 1866. 66) YergL meine Zodiaques de Denderah p. 13.
102 SUgimg der philoarphiM. Glosse vom 7. Februar 1874.
als WintersolBtitiam des alexandrinischen Kalenders za fassen. Wenn er aber weiter geht nnd auch für die Mherei ja so- gar die altpharaonische Zeit den Gebraudi eines dem alexan- drinischen identischen fixen Jahres mit der Epoche 29. Ang. = 1 Thoth, neben dem vom 20. Jali an laufenden ebenfalls fixen Sothisjahre behauptet, so kann ich ihm dahin nicht folgen, weil die Tanitioa dieses absolut unmöglich madit.
Haben uns somit die beiden Rhind-Papyri, unverwerf- liche weil gleichzeitige Zeugen, die Existenz des fixen alexan- drinischen Jahres zu 365 V« Tagen im 21. Jahre des Augustus erhärtet, so liefert der letztere von beiden uns auch die wichtige Angabe über das Fest der Sothis-Erschein- ung am 26. Epiphi und zwar im innigsten An- schlüsse an den volksthiimlichen Namen des Augustus, wie ihn die Aegypter aus Anlass die- ser Neuerung bildeten.
Es wird nämlich der Todestag der Frau Tanua pl. XXV 1, 2 folgendermassen angegeben und zwar unmittelbar hinter der bald zu besprechenden wichtigen Stelle ttber das Fest der Sothis-Erscheinung :
„Jahr 21 am 28. Mesori Gäsär's, in der
\\
Ergänzung, die er machte'^
Da beim Todestage des Mannes Sauif derselbe Titel des Cäsar Augustus wiederkehrt, so haben wir es offenbar mit einem Yolksthfimlichen Namen desselben zu thun, der zunächst zu der kalendarischen Ergänzung resp. Fixirung des Jahres in Beziehung steht. Aber auch in Betreff der Sothis-Erscheinung gibt uns derselbe Papyrus wiederholt eine bestimmte Hinweisung, die keinenfalls geeignet scheint
N
Lauih: Die SehälHagB deB PtoUmäua Energetes J. 103
Kopliachütteln im yerneinenden Sinne za erregen, da m^^
in dem von mir adoptirten Sinne die allein berechtigte Anf- fassong ist. Ich bin glücklicherweise im Stande, aus der- selben Urkunde zwei fragmentarische Legenden mit Angaben von Festen hieher zu ziehen. Die eine findet sich pI.XXI
unter der Mitte von lin. 6 und ist deutlich yUo oder ^^^
Jui ^ Ttayr^yvifis. Der darüber stehende Text handelt schon auf pl. XIX/XX von den chemurd- und chemsekStemen; ¥om Sahu (Orion, Repräsentant der 5 Epagomenen) am sudlichen Himmel ; von der Sothis (Supd = Sirius, Repräs. des fixen Jahres) mit dem Titel ^Jiaq't chebesu^^ „Leiterin der (36/37) Decane" ; femer von den Talismanen und andern Gaben der Oötter an den Verstorbenen . . . endlich pl. XXI lin. 5/6 „es ist seine Speise aufgestellt auf dem Tische des Osiris alle Tage jeder Sonne; man hört seinen Namen in den Wohnungen der Götter*'. Nun kann zwar auf die alten Aegypter der Qöthe'sche Spruch angewendet werden:
„Dem Völklein da ist ein jeder Tag ein Fest"
und insoferne lässt sich aus der Anbringung der Gruppe „Fest" oder „Panegyrie'' unter lin. 6 (ohne allen grammati- schen Zusammenhang) nichts für die Ealenderfrage folgern. Allein bedenkt man die offenbar kalendarische Gruppirung der (Fixsterne, Planeten) der 5 Epagomenen, des Viertel- tages und endlich der Sothis mit ihren Decanen als Ver- tretern der Decaden (10 tägigen Wochen), so gewinnt das hdhFest unter lin. 6 schon mehr und mehr ein astronomi- sches oder kalendarisches Aussehen.
Wir werden gewiss in dieser Anschauung bestärkt, wenn wir einen Blick auf die zweite fragmentarische, wenigstens erratisch scheinende Gruppe werfen, die pl. XXIV lin. 11 hinter der Lebensdauer der Tanua: „Jahr 54. (mit 3 Mo- naten und 3 Tagen) in drei Etagen so sich darstellt:
104 Sittung der phäot.-phüol. (^atse wm 7. Ftbraar 1874.
^r.
ta cha-t Supd nuteri
„Die ErscheiDong ... der göttlichen Sothis . . .
\ oder ^
mah cho$t) hebai
mah (oder choft) des Festtages".
Es war oSenbsr gemeint, dass der Todestag der Tanaa, näwlicb der 28. Mesori, der nmnittelbar dariuif genannt wird, als der so und so vielte (mah) Tag seit dem Feste der Sotbis-Erscheintmg gedacht werden sollte. Da mich nun meine bisherigen Resultate ermächtigen, in dem unter Cäsar Augnstua äxirten Jahre hiefür den 26. Eptpbi anzusetzen, Bo liesse sich die Lücke hinter mak-kebai durch hru 33 ,,drei und dreisigster Tag" seit der Panegjrie der „Sothis- ErBcheiuong" nnsfüllen. Denn es ist wohl zu beachten, dass hier ein den Aegyptera wohl zuzutrauendes Zifferspiel zwischen 33 (Tagen) und 3 M. 3 T. vorliegt, um welche Tanua in das 64. Lebensjahr hiuüberragte. Wir werden die Dämlichen 33 Tage auch weiterhin bei der Angabe in Betreff des Lebensendes von Sanif wieder antreffen : Dieser starb den 10, Epiphi, d. h. den 16. Tag seit dem heseb-t^ Feste oder Sommersolstitium und 16. Tage vor der Sothie- ErscheiDUDg am 26. Epiphi des fixirten Jahres.
Das Sommersolstitium am 26. Payni = 17. Juni nach dem Bhind-Papjras I. Wir könnten ans mit dieser Ausbeate der beiden Rbind- Papyri einstweilen begnügen, da sie uns den Sothisaufgaog am 26. Epiphi gewährleistet. Aber es wartet onser nodi ein weiteres wichtiges Ergebniss. Die eben erwähnte Stelle in Bezug auf den Todestag des Mannes (Saoif) findet steh
LmM: Die SchaHtktge des PiolemäuB JEitergeiea L 105
im Bhind-Papyrus I imd ist zu wichtig als dass idi sie nicht genau analysiren mösste. Nachdem die datirte Geburt und die Geeammtlebensdaaer erwähnt sind, folgt lin. 10/11 die Angabe seines Todestages in folgender Fassung:
f. T'-SSS)
,,Da tratest ein in die Tiefe Jahr 21 Cäsar's
I ■ ^M i\\z - rrro "
I I I Mi 0 '0 ( I I I
in der Ergänzung» die er machte, Epiphi Tag 10, den 16.
ypi' «DB
O
Tag seit dem Hebes-tep-Feste*^
Brugsch übersetzt diese Stelle so : (jour de deces de Sauf) „ran 21 du regne d' August (appele Eaisaros) selon raccomplissement , qui fait le mois d' Epiphi le jour 10* remplissant le jbur 16* ä la panegyrie hebs-tep". Der- selbe bemerkt übrigens gewissenhaft p. 67/68 i,Le texte demotique offre les memes paroles, seulement, il est ä ob- server que la dato du 10 (Epiphi) y est ezprimee par le chiSre employe pour la notation des jour du mois, tandisque le 16* jour est designe par les chiffres ordinal res." Der zweite Theil des letzten Satzes ist von mir unterstrichen, um bemerklich zu machen, dass es nach Brugsch^s eigener Angabe unstatthaft ist, den 16. Tag unserer Stelle zu einem Monatsdatum zu stempeln. Er ist eben kein quantidme du mois. Damit fallen auch alle Consequenzen, die Brugsch daraus ziehen will, besonders das p. 92 geschlossene CoroUar : La correspondance indiquee, Selon laqueUe le 10. Epiphi, Tan 21 du regne d* Auguste, tombe sur le 16* jour d'un mois, dont on a sup- prime le nom, s'ezpliquera aisement, par notre tableau synoptiqne. II nous&ityoir que le 10. Epiphi civil oo'mcide
1Ü6 iSittung der pAftw-iiAttol. OImm wm 7. Februar 18U.
avec le 16. Meeori, bi le 1" Thoth ucr6 correspond aa 30. Epiphi ciTÜ."
Ferner bat Brogsch gewissenhaft hinter dem letzten Zeichen t^ der Grnppe meh-t ein ? angebracht, am den Zweifel io die Richtigkeit dieser Lesnog anzudenten. Daza war kein Grrond vorhanden, da das diesem entsprechen aollende Zeichen ein deutliches hieratisches ck ist. Da nnn die Kopten noch den Ausdruck „n«i-n-«iA(.&^Te") poten- tissimus, titulus Augnsti" bewahrt hahen, so ist kaum eq bezweifeln, dasa dieser Titel sidi ursprünglich auf die Er- gänzung des Wandeljahres zum fizeo durch die Einschalt- ung (oder die Erfüllung des PhÖnixc^olus ?) bezogen hat, und erst in spaterer Zelt mit' der Eroberung «uua^^^Te occupatio passesaio potentia zusammengeworfen wurde. Aehnlich wird in der Tanitica 1. 46 — 46 gesagt, das Fest der Euergeten solle an dem Schalttage gefeiert wer- den, damit alle erfahren {sldwaai) iiort tö ÜXeötOf scifota^ .... ötii>^ßa&ai neu ävareani.f}fäa9^at avfißißrpw Siu täv Evt^nmi ^mv. Der hieroglTphiscbe Text bietet aber für ayanatXri((üa9ttt genaa dieselbe Gruppe meh (1- ^3) ^^, die in beiden Rhind-Papyri hinter dem Schilde des Katsitros (Angostus) als dessen kalendarisdier nod wohl auch volkathümlicher Beiname erscheint. In der oben dttrten Stelle, wo dieser Titel pe-mahte neben Kaissros vorkommt (pl. XXV) lin. 2, ist Bragach's Aofilusang als einer „correspoo- dance" schon deashalb nnznläsaig, weil dort keine Zahl darauf folgt, mit der oorreepondirt werden könnte.
Mit Beseitigung der zwar höchst genialen, aber fortan um* haltbaren Aoffassnog unarer Stelle wie Brugsch sie gethan, sind wir indesBeu der Schwierigkeiten noch nicht positiT Meister geworden. Verführt dozcb Birch's*^) irrige UeberBetzung
66) VertL Zeitaohr. 1867, 81 (Qoodwin).
67) FMSimilei of two pap;ri.
Lauth: Die SehaUtage des Ptolemäua Euergetes I. 107
derselben: he went to the Place of Enwrapping in the 21*^ year of Caesar* The fnneral was made from the tenth to ihe 15^ E p i p h i — war ich früher in meiner Berechnung, obscfaon ich nach 15^ das Wort Epiphi als entschieden un- statthaft nnterdräckte, auf Grund des Kalenders von Esneh*^) Tom 26. Payni ausgegangen, weil dort ein ,,If'est des Be- kleidens meneh der Erokodile^^ und zwar als „Neujahrs- fest** notirt ist. Von hier an 15 Tage weiter zählend, gelangte ich ungezwungen auf den 10. Epiphi unsres Textes, der recht wohl als der fünfzehnte vom oder seit dem „Be- kleidnngsfeste** gelten mochte, um so mehr, als ja auch der Rhind-Papyrus I unmittelbar nach der fraglichen Zahl (15) ein Fest hd^s-fep „Bekleidung des Hauptes*' darbietet. Allein mit der richtigen Lesung meh hru 1€ „der 16. Tag'* zerfiel dieser trügerische Schein in Nichts. Uebrigens bleibt als reeller Gewinn auch hieven (dem Eal. v. Esneh) der 26. Pajni als Neujahrsfest bestehen und zwar ist damit der Beginn des tropischen Jahres gemeint: 17/18 Juni, wie ich dies schon 1866 (Zeitschrift fiir ägypt. Spr. Dec.) ausgesprochen und durch Romieu (ibid. 1867 p. 104) nicht widerlegt gefunden habe.
Die beiden Bhind-Papyri haben uns also folgende Re- sultate mit aller Bestimmtheit geliefert:
1. Das fixe Jahr zu 365V« Tagen. In diesem entspricht der 1. Thoth dem 29. August des julia- nischen Kalenders, folglich der 26. Epiphi dem 20. Juli = Sothis-Au%ang. In der That, zählt man vom 29. August 40 Tage (29+11) zurück, so ge- langt man ebenso zum 20. Juli, wie man 40 Tage nach dem 26. Epiphi vorwärts zum 1. Thoth gelangt.
2. Das Jahr 21 des Augustus hat sich als Schalt- jahr erwiesen und somit die Einschaltung in je-
68) Bmgsch: MatMaaz pl. XIII col. 15a.
108 Siimng der phüo8.-phiUd. Clam wm 7. Febrmr 1874.
dem 4. Jahre des Qaadrienniams, also 22, 18, 14, 10, 6, 2 V. Chr. dargethan. Diese Folgenug beruht auf dem Datum : 25 Payni = hebes*tep-Fest^' oder Sommersolstitiam, welches in den drei andern Jahroi der Tetraeteris wie z. B. im Kalender von Esneh, auf den 26. Payni trifft.
3. Der Sothisaofgang am 26. Epiphi = 20. Jali, in Beziehung gesetzt zu dem 33 Tage später erfolgten Tode der Frau Tanua, gewährleistet die Richtigkeit des dess&lsigen theoretischen Ansatzes.
4. Das Wintersolstitium am 26. Choiahk zufolge den beiden Papyri entspridit dem 23. Deoember des Julian. Kalenders.
N 5. Das Sommersolstitium am 25. (26.) Payni liegt um sechs Yolle Monate später, wie es die Theorie er- heischt und entspricht dem 17./18. Juni, wo nach dem Julian. Kalender die Sonne in das Zeichen des Krebses übertritt. Im Jahre 21 des Augustus (10 t. Chr.) war also der Tod des Sauif am 10. Epiphi zufällig gerade so viele Tage (33) vor, als der Tod seiner Frau Tanua nach demSirioa- anfange erfolgt. Diesem Zusammentreffen sonderbarer Um- stände verdanken wir die wichtigen Notizen, die der Verfasser gleichsam als Parenthesen, scheinbar ohne Zusammenhang, dem Texte der beiden Bhind-Papyri einverleibt hat. Es übrigt noch ein weiteres CoroUar von höchster Wichtigkeit daraus abzuleiten.
Die Epochen der Phönizperiode.
Das wichtigste Ergebniss unserer Untersuchungen liefert mir das hebes-tep-Fest des Bhind-Papyrus, das wir so- eben als dem Sommersolstitium entspreghend erhärtet haben, nämlich die Schluss-Epoche der Phönixperiode.
Der Text der beiden Rhind-Papyri zeigt ällenthalbra
Lauth: Die SchäUtage des PMemäue Euergetes I. 109
poetisches Gepräge. Es darf uns daher nicht Wunder nehmen, häufig Parallelismen Antithesen und Wortspiele darin anzutreffen. Dm mich auf letztere Klasse zu be* schränken, madie ich vorderhand zwei Beispiele bemerklich. Das eine ist uns schon in dem Ehrentitel des Augustus: pe-mdhU „der der Ergänzung'^ im Zusammenhalte mit mah Mh.0 multiplicare, praefix. numerorum ordinalium, begegnet. Das zweite Beispiel, das ich für meinen Zweck heranziehe, liegt in der Bezeichnung hebes-begaau (demotisch ta tisech en ta tiau't „der Saal der Tiefe'Q einerseits und dem Feste heb€S'tep(au) andererseits. Wir wissen aus dem Todtenbuche, namentlich den capp. 145 u. 146, dass mit hebeS'begau die sebech'tu oder Pylone der Unterwelt be- zeichnet werden, welche der Verstorbene passiren muss. Brugsch lex. p. 437 übersetzt : „Verhüller des Elends", „Ver- hüller dessen der sich ausruht", vergisst aber nicht zu be- merken p. 949, dass dieses 8 JRo IJP'iJ*^ *^^^« „nicht
selten geschrieben wird an Stelle von 8 H QO heseb^^)"
welch letzteres =: DDH heseb computus. Beherzigt man, dass manche Stelle wie ^ '^) par-heseb „Haus der Rechenschaft"
(„der Könige des Ober- und des Unterlandes") als Parallelis-
69) In dem Kalender von Esneh ist unter dem 26. Payni = 18. Jnni nnter der Gruppe ,, Neujahrsfest" und „Erscheinungs-
fest" im Hause des Atum** auch noch 0 "^ats^menchet en
/WWVN ta AAA/V/>A
mmthu „Bekleidung der Krokodile'' notirt. Später unter dem 1. Epi- phi, welches Datum, sofeme es dem Wandel jähre angehört, ich schon in (p. 91) meinen Zodiaques de Denderah = Sommersolstitium und Phönizersoheinung angesetzt habe, erscheint eine zweite Bekleidung,
diesmal des göttl. Kindes (Hekapechrud) : | m ^^}^* So darf es
es nns auch nicht befremden, dass unser Rhind-Papyrus den Aus- druck hebes-tep scheinbar „Bekleidung des Hauptes^' anwendet, wo urspr&nglich heseb-tep gemeint war.
70) et Beinisch: Die äg. Denkmäler in Miramar Taf. XLUl 1 1.
110 Sittuttg der phUog.-pMtot.Clasx vom 7. Frbruar 1874.
ams zu vielen andern eaphemiBtischen Bezeichnungen der Amenti oder Unterwelt auftritt; bedenkt man ferner, das« an den dtirten Stellen häofig das Verbnm eher 'S .--^ „haben,
halten" und das Substantiv 00 j^ sap „Untersuchung" damit in engster Verbindung steht, dessen juridische Bedeutung ich anderwärts*^) dargethan habe, bo werden wir kaum fehlgreifen, nenn wir annehmen, dasB die personiGcirten Pylone mit der Legende eher heseb begaau als „die traa- riges^') Gericht abhaltenden oder enthaltenden" ge- meint Bind.
Eine ähnliche Bewandtniss hat es mit dem wohl durch die Nameusähnlichkeit und wegen der Zeitangabe als Wortspiel eingeitihrten Festes 1 jl'fe hebes-t^au schein-
bar „die Panegyrie der Verhüllung des Hauptes"'*). Nimmt man, nachdem durch meine obigen Deductionen dieses Fest als dem 25/26. Payni = Sommersolstitinm am 17J18. Juni ent- Gprecbend dargethan ist, die nämliclie Metathesis an, wie vorher bei heseb begaau ,,die traurige Rechenschaft, das peinliche Gericht", so erhalten wir fiir heseb-tep(au) eine viel besser' passende Bedeutung, nämlich : dies festos com- puti primi. Dass dies der wahre Sinn unsrer Stelle ist, will ich sofort beweisen.
Wenn die Aegypter bloss beabsichtigt hätten , dem Augustus zu Ehren eine Kalender-Neuerung in der Art der unter Euergetes eingeführten zu beschliessen , so wäre dies sofort nach vollbrachter Eroberung Alexandria's möglich
71) Fapyrua Abbott, Sitningsberictite 1870.
72) Im Kopt. entsprioht dem depo« fcA^ff privwe, feilt! tortnra; daher «o gar häufig dahinter nebst dem Bilde des schwachen oder leidenden ManiiM ßh das weitere Dotenn, des weinenden Äoges /TT"
79] Todtenbuob c. I08, 6 scheint hebes-tep diese Bedaatnog wirklich in haben.
Lauth: Die Schalttage des Ptolemäus Euergeies I. 111
gewesen. Denn es lag keine solche Coincidenz des fixen Sirinsanfgangs mit einem Monats-Ersten in der Nähe, wie zar Zeit des EaergeteSj wo die Priesterschaft zwar wohl- dienerisch, aber doch auf Grund der ägyptischen Jahres* formen den concreten Zeitpunkt : 1. Payni des Wandeljahres = Soihisaufgang (20. Juli) mit wohl berechneter Absicht klag abwartete. Da nun zur Zeit, wo Augustus Aegypten eroberte, die gleiche Coincidenz nicht gegeben war, weil seit 245 y. Chr. mehr als einmal 120 (4x30) und weniger als zweimal 120 oder 240 (2X30X4) Jahre verflossen waren, so fragt es sich, ob nicht eine andere Coincidenz im Jahre 25 y. Chr. sich von selbst ungezwungen dargeboten habe. Dies scheint mir wirklich der Fall gewesen zu sein und zwar mit der erhöhten Wichtigkeit, dass es sich hier um ein Epochen jähr d.h. den Abschluss eines früheren und den B^inn eines neuen Gyclus handelte: die Apokata- stasis der Phönixperiode. Diese Ansicht spreche ich hier nicht zum ersten Male aus ; in einem meiner früheren Werke^^) habe ich ausführlich erörtert, wie die Nachrichten der Classiker besonders des Tacitus (Annal. VI 28) über die Epochen der Phönizperiode zu verstehen sind. Dabei hatte ich unter andern p. 58 folgender Ausdrücke mich bedient : „ . . . Da ferner Tacitus eine 500 jährige Dauer der Phönizperiode meldet, was richtig ist, wenn man nur eine der drei Jahres- zeiten berücksichtigt, und diese wieder in zwei Hälften zu je 250 Jahren zerlegt, so erkennt man leicht, dass der Theil derselben, welcher bei der Katastrophe des Amasis II, 525 T. Chr., also 250 Jahre vor 275 (Ptolemäus Phila- delphus „ex Macedonibus tertius*') begonnen hatte, im J. 25 d.i. unter Augustus zu Ende ging. Daher schreibt sich auch die (übrigens nur scheinbare) „Verwirrung*' der römi- schen Pontifices '^) . . , Da die kalendarische Bewegung des
74) Moses der Ebraer p. 57—64 (1868).
75) Lepsios: Königsbucfa, letzte Textseite rechts; vgl. oben p. 98.
112 SiUung der phUos.-phMl. doste vom 7. FAruar 1874.
1. Thotfa des Wandeljahres in Bezag auf das fixe Jahr eine räckwärtsschreitende ist, so wird die Wahl des 29. statt des 31. August zur Epoche ihren guten Grand, warum nicht allenfalls in der (25 v. Chr.) zu Ende gehenden Phönixperiode? — gehabt haben* ^
Was ich damals nur yermuthete und dessbalb nur mit einem Fragesatze wiedergab, ist mir jetzt zur festen üeber- zeugung, ja zu yölliger Gewissheit geworden. Wenn meine Mitforscher auf dem Gebiete der Aegyptologie und Chrono- logie dieser meiner Ansicht bisher keine Beachtung geschenkt haben, so mag das von mir selbst angebrachte ? Signum dubitationis diese Enthaltung erklären und rechfertigen. Bedenklicher aber erscheint das beharrliche Schweigen selbst der Kritik, gegenüber meiner aus dem Papyrus Leydeos. I 350, IV 4 geschöpften Legende. Hier mag die Verstummung (oder Verstimmung?) sich aus dem Umstände begreifen lassen, dass man autographirte Bücher als solche miss- achtet. Die Stelle lautet im Zusammenhange:
„Der Mur-par (Haus-Intendant) Eönigssohn (Prinz) Gha- m-oas zog aus als Oberer der göttlichen Diener? (Lücke durch Verwischung) Priester guter des Königs Ramessu^*) Haq-Anu. Anfang des Jahres der Zuräckweichttng*^ Die letzt genannte Angabe stellt sich hieroglyphisch also dar :
I AM/VV\
und ist Yollkommen deutlich erhalten. Da sie sich zu dem überstehenden und weiterhin 1,351,1 wiederholten Datum:
d. h. 30. Tag'' als integrirender Theil gesellt, so sollte,
{ O ■ ^ A (VP^'t ^ ronpe't n pahut
f
^]^^ „Jahr 52, Monat Mechir, letzter
76) Tonng Hieroglyph. II 86/87 bat für diesen König die etwas seltene Legende ^=^378 11 fl^^ QQ' *v^e r^oKomaetn^ii^y xaMnc^ i'*HXiof (sonst bekanntlich "fl^paioToc).
1
Jjanth: Die Seluütta^e des Ptölemäus Euergetes L 113
dächt' ich, weuigstens jeder Aegyptologe mit mir sofort an die Stelle des Tacitas sich erinnern : Sesostride dominante primum (alitem phoenicem) in civitatem, cuiHelio- polis nomen, advolavisse. Aach für dieses primum hatte
ich das Aequivalent in der Gruppe v^ J 1 © 1 **^
sop iap „aufleuchtend das erste Mal'^ aus cap. 140, col. 5 des Todtenbuches erwähnt. Die Stadt Heliopolis (On- Anu) anlangend, so bietet schon das Todtenbuch allein eine Fülle Ton Belegen dafür, dass der Bennu (Phönix) mit dieser Stadt auf's Innigste zusammenhing. Femer wissen wir aus der Uebersetzung des Hermapion, die sich an den Obelisken Flaminius und Sallustianus noch jetzt controliren lässt, dass der König ^Pafiiatrjs'''') ov ^'Aix(jio)v dyan^ — d. i. MtafAOvv;
ov ^'HXiog TtQoi'KQivev jy^ sotep-en-Ea — den Tempel des
A/SAA
Phönix in Anu mit Gütern angefüllt hat: TtlrjQwaag top v^wv %6v Ooivixog ayad-üv^ wobei nXr^Qciaag zugleich an die Erfüllung der Phönixperiode wortspielend erinnert. Fassen wir diese hier nur auszugsweise mitgetheilten Thatsachen zusammen, so kann kein Zweifel bestehen, dass die Nach- richt des Tacitus über den Beginn der Phönix- periode unter Ramses II Sesostris auf guter Grundlage ruht.
Eine höchst einfache Rückrechnung von dem Schluss- punkte aus, den die ursprüngliche Quelle des Tacitus enthielt, nämlich der rom Macedo tertius bis zum Imperator Augustus d. h. vom J. 276 (Philadelphus) bis 25 y. Chr. verstrichenen V« Periode zu 250 Jahren, führt mit 3x500 oder 6X250 = 1500 auf das Jahr 1525 vor Christus als das nächst frühere Epochenjahr der vollen Phönix-
77) Diese Gracisimng des Namens Ramessu, sonst ^Pa/ifffaij^y rähert sich am meisten dem darch Umstell angf derTheile gebildeten Spitznamen Ra-sest-su = Sestsu = 2:iaioaTQig. iFaouDüig, [1874, 1. Phil. bist. CL] 8
114 Süzung der phttoa.-phtlol. Ctaase vom 7, Februar 1874.
Periode zu 1500 Jahren. Da dieses Phänomen unter dem Datum: „J. 52 letzter Mechir'' des Sesostris ange- schrieben steht und dieser berühmteste aller Pharaonen sich auch durch eine ungewöhnlich lange, indess wohlbeglanbigte Regierung von 66 Jahren 2 Monaten auszeichnete, so kom- men wir für das Todesjahr des Sesostris auf die Grenz- scheide von 1511/1510 V. Chr. Sein SohaMenoptah, unter dem nach Manetho der Exodus der Aussätzigen statlfiuid, regierte 19 Jahre 6 Monate. Wenn nun sein Lebensende mit dem Exodus gleichzeitig sich ereignete, wie Manetho andeutet und die Bibel ausdrücklich behauptet, so kommen wir auf das Jahr 1491 v. Chr. als Epoche dieses auch für Aegypten so wichtigen Ereignisses, dass der nationale Ge* Schichtschreiber und Chrono log Manetho eigens darüber schrieb und in seinen u4iyv7tti4x vg^o^n^f^ara mit Mevog>9ag die XVIII. Dynastie abschliesst, obgleich der nächstfolgende König Sed-cig bestimmt ein legitimer Sohn Menoptah's ge- wesen ist. Die 480 Jahre vom Tempelbau Salomons rück- wärts gerechnet ergeben ebenfalls 1491 v. Chr. als das Jahr des Exodus. Diese Harmonie von Resultaten, die aus gegen- seitig unabhängigen Quellen geflossen sind, hätte doch sicher- lich schon längst d. h. seit 5 Jahren, einige Beachtung ver- dient, wenigstens einen oder den andern der Mitforscher zur Prüfung der betre£fenden Ansätze auffordern sollen. Da dies bisher nicht geschehen ist, so werde ich in meinem nächsten grossem Werke „Sothis*' die Frage von Neuem aufnehmen müssen. So viel kann ich jetzt schon in Aus- sicht stellen, dass die beiden Data: 1525 und 1491 v. Chr. durch zwei ebenfalls gegenseitig unabhängige Zeugnisse : eines Sothisaufgangs und einer bisher übersehenen directen Angabe eines classischen Chronologen glänzend bestätigt werden. Einstweilen diene den Freunden der Chronologie zur Beruhigung, den Bemänglern aber zur Warnung, dass der Leydener Papyrus, der uns „das Jahr der Zurückweichung"
Lauth: Die SchälUage des Ptolemäus Euergetea I. 1 15
ergeben hat, an einer andern Stelle wieder unter dem 30. Mechir, von einem Geschenke spricht, das im Ramesseum (I) gegeben wurde
„ordinatori (cgiMc) motus cyclici coeli, Phoenicis, et Stellarum". Ausserdem habe ich in einem Turiner hierat. Pap. dieselbe Gruppe „Bewegung des Himmels*' in Verbind- mig mit dem Automamen eines Pharao entdeckt, der über Astronomie geschrieben hat.
Es fragt sich nun, ob der unter dem Datum des letzten Mechir gebotene ,f Anfang des Jahres der Zurückweichung'S der sofort an die Vorrückung der Solstitien und Aequinoc- tien gemabnt^^), auch anderweitig belegt werden könne. Dies ist in mehr als ausreichendem Maasse der Fall, da wieder das Todtenbuch davon öfters Meldung thut, z. B. c. 125 col. 11/12 y besonders ausgiebig aber cap. 140. Ich kann natürlich hier nicht wieder ausführlich darüber handeln. Nor soviel sei bemerkt^ dass das Vorkommen dieses nach dem Phönix benannten üyclus im Todtenbuche uns von vorn herein nicht befremden darf, da dieses ja die Geschichte der Seele oder ihre Wanderungen und Wandlungen enthält und die von Herodot II 123 erwähnte 3000 jährige TteQirjXvaig (TTJg xpvjf^q yivead-ai iv TQiaxi^oiai ezeai) d. h. Seelen- wanderung in 3000 Jahren vor sich geht : das ist gerade eine doppelte Phönixperiode. Ferner will ich die nöthigsten Gruppen der Legende hersetzen: cap. 125 col. 11 spricht der Verstorbene: „Ich bin rein (quater). Meine Reinheit ist die Reinheit des Bennu -(Phönix-) Vogels, jenes (be- kannten) grossen (wichtigen), welcher in Ghennsu (Chanes otiHC = ^HQcmXeoTtolig) col. 12. Denn ich bin die Nase
des Herrn der Athmungen, belebend alle reinen Menschen
78) Vergl. Lepsius: Chronolog. p. 19(5 fg.
8'
116 Sitzung der philos.'phüol. Classe vom 7, Februar 1874,
(rochiu) an jenem Tage der Berechnang 80 Jo des üzat-
Auges in Anu {On-HXiov7tolis) ^^ ^^ am letzten
Tage des Monates Mechir, vor (coram) dem Herrn dieser
Welt. Ich habe geschaut ""^^^^^ |^ ^^^ Erffillung
(Ergänzung) des Uzat Auges in Anu: nicht geschieht etwas (bu) Böses (du) wider mich in diesem Lande der Wahrheit''.
Aus Vignette und Text des cap. 140 ergibt sich mit vollkommener Sicherheit, dass },das Üzat-Auge" weder die Sonne, noch der Mond sein kann — woran Jemand Wiegen des mah „Erfüllung*' denken könnte — sondern die Phönixperiode selbst. Es erscheint wieder die bedeutsame
Gruppe *^*^ mah^ der wir in der Tanitica und im Rhind«
Papyrus I begegnet sind und zwar gerade wieder an der Stelle, wo es sich um eine Ergänzung, Ausgleichung handelt. Wir erfahren ferner, dass eine com putatio hes^ 3D*1) dabei stattfand, dass auf „das erste Mal" sqp^tep Rficksicht ge- nommen wird und dass nach col. 11 aus dieser Goincidenz und Ausgleichung zwischen den beiden Dza't (Sonne und
Bennu) eine Panegyrie 8 J|^^ gefeiert wurde: Elemente^
genug, um das Fest hebeS'tep(= heseb^tep) des Rhind-Papyrus
(am 10. Epiphi minus 16 Tage = Sommersolstitium) s jO^
oder vielmelir » 1 j O begreiflich erscheinen zu lassen.
Der in der Vignette zu cap. 140 auf einem Gestelle ruhende schwarze Schakal mit dem ö 5ec&em-Scepter ist der
aus den astronomisch-kalendarischen Darstellungen wohlbe- kannte Repräsentant des Monats Mechir, an dessen letztem Tage jene Ausgleichung oder Ergänzung (mah) vor sich geht. Ueberhaupt sind die Vetreter der beiden die Jahresmitte vorstellenden Monate Mechir (6.) und Phamenot (7.) immer
Lauth: Die Schalttage des Ftolemäus Euergetes I. 117
symmetrisch angebracht, sei es ia Gestalt von Schakalen, Schweinen oder mit der gemeinschaftlichen Benennung rokh (poRo fomes, titio). Es begreift sich diese vis-ä-vis-Ord-
nang, wenn man mit mir die Einschaltung oder Ausgleichung des Schalttages in die Mitte des Jahres verlegt. Ohne mich jetzt darauf weiter einzu- lassen, gebe ich zu bedenken, dass sowohl 1525 als 25 vor Christus auch im hl. Kalender keine Schaltjahre waren, also der Repräsentant des Phamenot: das grosse weibUche Nilpferd, bei der (oben geschilderteu) Scene des cap. 140 und im Rhind-Papyrus I ebenso wenig erscheint , als das Stierviertel oder der ganze Stier, das Symbol des einzu- schaltenden Tages. Nach Biot's Berechnung fiel zwischen 1500 u. 1600 Y. Chr. das Sommersolstitium auf den 7. Juli. Rechnet man- nun auf je ein Jahrhundert 1 Tag Differenz wegen der Präcesston, so würden die 15 sich so seit Seso- stris^*) ergebenden Tage auf den 23. Juni für die Zeit des Jal. Cäsar und Augustus führen. Wirklich ist im julianischen Kalender unter VlU^al. und VI Kai. Jul. d. h. 24. u. 22. Joni „Solstitium*' angemerkt, so dass die eigentliche Mitte der Sommersonnenwende auf den den 23. Juni fällt. Dieses Resultat involvirt übrigens keinen Widerspruch mit dem analog doppelt unter XV Kai. und XUIKal. Jul. d.h. 17. u. 19. also 18. Juni notirten Sol in Gancrum. Denn auch altägyptische Darstellungen z. B. im Grabe Uamses VI, wo die 5 Epagomenen nicht gezählt sind und das Fragment des LouTre, wo die Decaden von 1 — 10, 10—20, 20—30 laufen, wahrend im Grabe Ramses IV die Decaden von 6. — 16., 16.— 26., 26.-6 gerechnet, also beide Male die Epagomenen berücksichtigt sind, trifft man die adäquate Differenz von
79) Das Nilfest am 15. Epiphi (:=7. Juli) unter Ramses II Seso- Btris bezieht auch Brugsch Mater, p. 87/38 auf das solstice d'ete. Man sieht, wie die Differenz von 15 Tagen zu 15. bis 1. Epipbi stimmt.
1 18 SiUftmg der philoarphüol. CHasse vom 7. Februar 1874.
5 Tagen. Die eigentliche Neuerung des Kalenders unter Augustus bestand also, ausser der Fizirung des Wandeljahres, in der Anfügung des 6. Epagomens hinter den 5, und wirklich erscheint dieser erst von da an.
Wenn man Plinius liest^®) so erfahrt man allerdings von manchem so genannten oder falschen Phönix. Tacitus sagt VI 28, der unter dem Consulate des Paulus Fabius und L. VitelUus (im 21. Jahre des Tiberius = 34 nach Christus) nach Aegypten gekommene Phönix sei der Ansicht mehrerer zufolge falsum (hunc phoenicem) neque Arabum e terris gewesen. Ich habe nachgewiesen, dass der rectanguläre Thierkreis von Den der ah mit dem Horoskope des Kaisers Tiberius, auf den 17. Nov. =21. Athyr lautend, die wahre Veranlassung zu diesem „falschen'' Phönix gewesen. Ferner hat die irrige Auslegung des „e Macedonibus tertius'* wegen Verwechslung mit IltoXefiaiog 6 Evefyhrig tQizog ißaai- Xevaev etc. die Epoche der letzten Sechstelphönixperiode unter Ptolemäus Philadelphus (275 v. Chr.) verwischt und dadurch ist auch Tiberius an die Stelle des Augustus ge- treten. So kommt es, dass die jedenfalls in Aegypten all* gemein bekannte Thatsache der Erneuerung des Phönix- Cyclus hinter der Kalender-Neuerung bei den Römern fast ganz in Vergessenheit gerieth. Und doch hatte Augustus^') den Hermapion beauftragt, fär ihn
80) Vergl. meine Zodiaques de Denderah p. 91 note: „La roforme du cal. ^gyptien attribuee k Auguste Pan 25 avant notre